Süddeutsche Zeitung

Assad-Vertraute in Damaskus getötet:Zwei Rebellengruppen bekennen sich zu Anschlag

Bei einem Bombenanschlag auf die Nationale Sicherheitsbehörde in Damaskus ist der syrische Verteidigungsminister Daud Radscheha getötet worden. Auch sein Stellvertreter, ein Schwager von Präsident Assad, sowie eine weitere Regimegröße kamen ums Leben. Doch wer führte die blutige Attacke auf Assads inneren Zirkel? Gleich zwei Gruppierungen wollen verantwortlich sein - die Freie Syrische Armee und eine Islamistengruppe.

Die Lage in der syrischen Hauptstadt spitzt sich zu: Bei einem Sprengstoffanschlag in einem Gebäude der syrischen Sicherheitskräfte in Damaskus sollen fünf Menschen ums Leben gekommen sein. Nach offiziellen Angaben wurde dabei der syrische Verteidigungsminister Daud Radschha (Daoud Rajiha) getötet sowie Vize-Verteidigungsminister Assef Schaukat, ein Schwager von Präsident Baschar al-Assad.

Später erlag zudem der Leiter der zentralen Krisenstelle und Ex-Verteidigungsminister Hassan Turkmani seinen schweren Verletzungen. Innenminister Mohammed Ibrahim al-Schaar sowie weitere Teilnehmer sind dem Staatsfernsehen zufolge verletzt worden, zum Teil schwer. Aus Sicherheitskreisen verlautete, der Geheimdienstschef sei ebenfalls verletzt worden.

Der Anschlag galt einem Treffen von Kabinettsmitgliedern und ranghohen Vertretern der Sicherheitsdienste im streng bewachten Gebäude der Nationalen Sicherheit. Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Sicherheitskreisen erfuhr, zündete der Attentäter im Versammlungssaal einen Sprengstoffgürtel. Regimegegner hatten zuvor erklärt, in der Innenstadt unweit des Al-Rawda-Platzes sei eine Autobombe explodiert.

Radschha und Schaukat sind die ersten beiden Regierungsmitglieder, die seit Beginn der Revolte im März 2011 getötet wurden. Der 65-Jährige Verteidigungsminister Radschha gehörte dem britischen Guardian zufolge zum engeren Zirkel um Staatspräsident Baschar al-Assad. Er wurde erst vergangenen August zum Minister ernannt und war vorher Armee-Stabschef. Wegen seines harten Vorgehens gegen Oppositionelle soll er auf einer Schwarzen Liste der USA stehen.

Vize-Verteidigungsminister Schaukat galt der Opposition als ehemaliger Militärgeheimdienstchef und früherer stellvertretender Stabschef für Sicherheitsangelegenheiten als eine der meistgehassten Persönlichkeiten innerhalb der Regierung. Er war mit Assads Schwester Buschra verheiratet. Im Mai hatte es Mutmaßungen gegeben, der einflussreiche Vizeminister sei vergiftet worden.

Oppositionelle sehen Assads Sturz in greifbarer Nähe

Zu dem Attentat bekannten sich dem britischen Guardian zufolge gleich zwei Rebellengruppen. Die Freie Syrische Armee (FSA) triumphierte, sie habe "mehrere Pfeiler der Assad-Bande" tödlich getroffen. "Dies ist der Vulkan, über den wir gesprochen haben, wir haben gerade erst angefangen", sagte ein Sprecher der Gruppe.

Doch auch eine islamistische Gruppierung namens "Brigade des Islam" teilte auf ihrer Facebook-Seite mit, "das Krisen-Kontrollzentrum in der Hauptstadt Damaskus ins Visier genommen" zu haben. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge soll der Attentäter als Bodyguard in Assads engerem Umfeld gearbeitet haben.

Assad selbst nahm nach Angaben von mit der Lage vertrauten Personen nicht an der Sitzung in Damaskus teil. Syrische Aktivisten berichteten am Abend, das Flugzeug Assads sei am Mittwoch vom Flughafen Messe in Damaskus aus gestartet. Sie beriefen sich dabei auf Offiziere auf dem Militärflughafen. Über die Passagiere an Bord und das Ziel der Maschine machten sie keine Angaben. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite lag für diesen Bericht, der in einem internen Forum der Regimegegner verbreitet wurde, nicht vor.

Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) zeigte sich nach dem Anschlag auf den Krisenstab in Damaskus überzeugt, dass sich das Regime nicht mehr lange an der Macht halten könne. "Der Sturz des Regimes von Baschar al-Assad ist in greifbare Nähe gerückt", sagte SNC-Sprecher George Sabra in Kairo. Der SNC sei an der Planung des Anschlages und anderer Operationen der Kämpfer in Damaskus nicht beteiligt gewesen. "Wir sind der politische Arm", betonte er.

Nach dem Bombenanschlag auf das unmittelbare Machtzentrum soll es in Damaskus weitere Explosionen gegeben haben. Anwohner berichten von fünf Detonationen im nordwestlichen Hauptstadtbezirk Muhadschirin. Dort ist auch die Basis der 4. Division der syrischen Armee, eine Elite-Einheit, die von Assads Bruder Maher geführt wird. Zunächst war unklar, ob sie Ziel des Angriffs war. Das Informationsministerium erklärte, es habe an der Militärbasis keine Explosionen gegeben.

Pentagon-Chef Leon Panetta reagierte mit deutlichen Worten auf die Ereignisse in Syrien. Die Lage dort gerate "außer Kontrolle". Es sei offensichtlich, "dass das, was in Syrien geschieht, eine wirkliche Eskalation der Kämpfe darstellt", sagte Panetta. Es sei wichtiger denn je, dass die USA und die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiteten, um Assads Rücktritt zu erreichen, fuhr der US-Verteidigungsminister fort. Es müsse "maximaler Druck" auf Assad ausgeübt werden.

Die US-Regierung verhängte gegen zahlreiche Mitglieder des syrischen Kabinetts Finanzsanktionen, darunter der Ministerpräsident sowie 28 weitere Minister und ranghohe Vertreter des Regimes.

Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte den UN-Sicherheitsrat nach dem Bombenanschlag auf, neue Sanktionen gegen das Land zu beschließen. "Es zeigt uns, dass es dringende Zeit ist, dass die nächste UN-Resolution verabschiedet werden kann", sagte Merkel in Berlin.

Der UN-Sicherheitsrat verschob seine Abstimmung über eine neue Syrien-Resolution von Mittwoch auf Donnerstag. Damit solle Spielraum für neue Verhandlungen geschaffen werden, hieß es von westlichen Diplomaten. Zuvor hatte sich die dritte Blockade einer Syrien-Resolution durch ein russisches Veto abgezeichnet.

Russland warf dem Westen im Gegenzug vor, die syrische Opposition anzustacheln. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti zufolge, statt die Opposition zu beruhigen, hätten "einige unserer Partner" sie animiert, weiterzumachen.

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