Süddeutsche Zeitung

Assad-Gegner in Syrien:"Wir haben alle Hoffnung verloren"

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Als "Sieg für Syrien" feiert das Assad-Regime das amerikanisch-russische Abkommen über die Vernichtung der Chemiewaffen. Die Gegner des syrischen Präsidenten allerdings sind empört: Sie fühlen sich im Stich gelassen und behaupten, Assad habe erneut Chemiewaffen eingesetzt

Von Sonja Zekri, Kairo

Der Sieger blieb auffällig still. In den ersten Stunden nach der Bekanntgabe des amerikanisch-russischen Abkommens über die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen, hörte man aus Damaskus: wenig. Das Abkommen verschafft Präsident Baschar al-Assad mindestens eine Atempause, bestenfalls freie Hand jenseits der Chemiewaffen für das nächste Jahr. In seinen jüngsten Interviews hatte Assad förmlich geglüht vor Triumph, die Vernichtung der israelischen Chemiewaffen gefordert und Amerika der Lüge bezichtigt. Am Sonntag immerhin sagte der syrische Minister für Versöhnung, Ali Haidar, der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, dass die Regierung den Abrüstungsplan begrüße. Es sei ein "Sieg für Syrien".

Umso größer war die Empörung unter den Gegnern von Präsident Baschar al-Assad. Der Chef der Freien Syrischen Armee, Salim Idriss, kritisierte, die Initiative sei reine Zeitschinderei: "Wir werden den Vorschlag völlig ignorieren und weiterkämpfen bis zum Sturz des Regimes", erklärte er in Istanbul: "Wir fühlen uns im Stich gelassen. Wir haben alle Hoffnung verloren." Schon jetzt habe Assad die Offensive in den Vororten von Damaskus verstärkt, so die Rebellen, ja, er habe sogar erneut Chemiewaffen eingesetzt, 15 Menschen seien gestorben. Auch habe er begonnen, Chemiewaffen nach Irak und Libanon zu schaffen, so behaupten die Aufständischen - ohne allerdings Beweise zu liefern.

Deutliche Hinweise gibt es unterdessen auf die Rolle Irans im Konflikt. Ein Video, das einem niederländischen Sender zugespielt wurde, zeigt iranische Truppen an der Seite der Assad-Armee, die sie nicht nur beraten, wie man bisher annahm. Vielmehr nehmen sie offenbar aktiv an den Kämpfen teil. Die Rolle Irans wird eine der wichtigsten Fragen des Syrien-Konfliktes sein: Iran war bislang ein treuer Assad-Verbündeter, gleichzeitig aber durch den Streit über sein Atomprogramm mit Amerika und Russland verflochten.

Nationale Koalition fordert Verbot von Kampfflugzeugen

Die politische Opposition gegen Assad zeigte sich nach der Einigung über die Vernichtung der Chemiewaffen ebenfalls unbeeindruckt. Die syrische Nationale Koalition forderte ein zusätzliches Verbot von Kampfflugzeugen und Raketen in Städten. Mit der Wahl des moderaten Islamisten Ahmad Tumeh zum neuen Übergangspremier versuchte die weitgehend einflusslose und zerstrittene Organisation ihre Handlungsfähigkeit zu beweisen.

Der 48-jährige Tumeh versprach, seine Priorität sei die Wiederherstellung der Ordnung in den von Assad befreiten Gebieten. Aus den Reihen der Opposition war zu hören, dass die Finanzierung seines Schattenkabinetts vor allem von Saudi-Arabien übernommen werde. Die Regierung brauche mindestens 200 Millionen Dollar pro Monat.

Auch die radikalen Islamisten rüsten auf. Mindestens 1500 Kämpfer aus Saudi-Arabien, Ägypten, Jemen und Jordanien seien in den vergangenen zwei Wochen ins Kriegsgebiet gereist, um, so eine al-Qaida-nahe Gruppe, "zu verhindern, dass die amerikanisch-zionistische Verschwörung Syrien erreicht".

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SZ vom 16.09.2013
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