Süddeutsche Zeitung

Museum zu Ehren von Bassel al-Assad in Syrien:Er war der goldene Reiter

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Während Millionen Syrer hungern, eröffnet das syrische Regime ein Museum zu Ehren von Bassel al-Assad. Es huldigt dem verstorbenen Bruder des Machthabers - erinnert aber auch an dessen zweifelhafte Sportkarriere.

Von Moritz Baumstieger

Die Al-Assad-Sportstadt liegt im Norden der Küstenstadt Latakia, pittoresk direkt am Meer. Der 1987 errichtete Komplex ist in die Jahre gekommen, in seiner Art für Syrien aber einzigartig: Zwischen mäandernden Wegen bröckelt der Beton von Schwimm- und Sporthallen, warten Tennis- und Reitplätze auf bessere Zeiten. Im Zentrum steht ein großes Fußballstadion mit Zeltdach - eine vereinfachte Raubkopie des Münchner Olympiastadions.

Falls in absehbarer Zeit wieder internationale Sportereignisse in Syrien stattfinden, dann hier. In einem gesicherten Komplex in der Gegend, aus der die religiöse Minderheit der Alawiten stammt, auf die das Assad-Regime seine Macht stützt.

Bis es so weit ist, soll nach dem Willen des Nationalen Sportverbandes eine andere Attraktion die Massen in die Sportstadt locken: das "Museum des Märtyrers und Goldenen Reiters Bassel al-Assad". Vergangene Woche öffnete der marmorverkleidete Bau mit blauer Glaskuppel. Umgeben von 8000 Quadratmetern Garten werden dort auf 350 Quadratmetern 60 Ausstellungsstücke präsentiert.

Bassel al-Assad, der ältere Bruder des heutigen Diktators, begrüßt die Besucher als überlebensgroße Marmorfigur in der Eingangshalle. Persönlich könnte er das nicht mehr: Der Mann, der eigentlich als Thronerbe vorgesehen war, starb 1994 bei einem Autounfall. So ist es nun an seinem Bruder Baschar, in diesem Monat ein besonderes Jubiläum zu feiern: Vor genau 50 Jahren hatte Vater Hafiz geputscht und der Familie die Macht gesichert, an die sie sich bis heute klammert.

Wut auf den Protzbau, lange Schlangen an den Tankstellen

Doch auch noch Tage nach der Eröffnung provoziert der Bau große Wut unter Syrern - zumindest bei denen, die ihre Meinung frei im Netz äußern, weil sie ins Ausland geflohen sind. Ihre im Land verbliebenen Verwandten leiden derzeit unter der schwersten Wirtschaftskrise seit Syriens Unabhängigkeit: Die Inflation ist außer Kontrolle, die Preise explodieren. An den Tankstellen warten teils mehr Autos, als auf den Straßen fahren, vor den Bäckereien stehen die Menschen Stunden, um vielleicht zwei Bündel aus billigem Weizen gebackenes Fladenbrot zu ergattern. Neun Jahre Bürgerkrieg, harsche US-Sanktionen und der Zusammenbruch des für Syrien wichtigen Bankensystems im Nachbarland Libanon haben dazu geführt, dass mehr als 80 Prozent der Syrer heute in Armut leben.

Das Regime hielt es in dieser Situation jedoch für sinnvoll, mehrere Millionen Dollar auszugeben, um an den sportlichen Bruder des Diktators zu erinnern: Bassel al-Assad war ambitionierter Reiter, nun sind von ihm errungene Medaillen, sein Sattel und seine Reituniform zu bewundern. Reitsport ist bis heute das Steckenpferd der Assads, ihr Name ziert bei syrischen Turnieren stets die ersten Ränge. Einer Nichte von Bassel und Baschar al-Assad gelang 2019 sogar ein internationales Novum, als sie in einem Wettbewerb sowohl die Gold- als auch die Silbermedaille gewann. Auch Bassel al-Assad soll nicht immer regelkonform gesiegt haben: Berichten zufolge ließ er seinen Freund Adnan Kassar ins Gefängnis werfen, als der ihn sportlich zu überflügeln drohte. Kassar kam erst 2014 wieder frei, 20 Jahre nach dem Tod des "Goldenen Reiters". Erwähnt wird das im neuen Museum freilich nicht.

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