Süddeutsche Zeitung

Asien:Kontrollen und Quarantäne

Die Tage um das chinesische Neujahrsfest zählen zu den Hauptreisezeiten in Asien. Die Nachbarländer der Volksrepublik sind deshalb wegen des Corona-Virus in Alarmbereitschaft.

Von Lea Deuber, Thomas Hahn und Arne Perras, Peking/Tokio/Singapur

Das chinesische Neujahrsfest ist nicht nur ein Fest der Familie. Es ist auch ein willkommener Anlass für Reisen: In den vergangenen Jahren haben immer mehr Chinesen die Tage genutzt, um wegzufahren. Viele freie Tage hat man in China nicht, deshalb nennt man die Feiertage, die meist in den Januar oder Februar fallen, auch die "Goldene Woche". Der chinesische Reisebetrieb in diesen Wochen ist der Grund, warum sich die Versuche einer Eindämmung des Corona-Virus in den Nachbarländern sowie in Europa und den USA deutlich schwieriger gestalten dürfte als im Rest des Jahres. In Südostasien strömen zu keiner Zeit im Jahr so viele chinesische Urlauber ein wie über die Festtage: Überfüllte Flughäfen und voll gebuchte Quartiere sind von Manila über Bangkok, Kuala Lumpur, Singapur und Jakarta die Regel. Ähnlich sieht es in Hongkong, Taiwan und Australien aus.

Thailand gehört traditionell zu den Lieblingszielen, zehn Millionen Chinesen machen dort jährlich Urlaub. So ist es kaum verwunderlich, dass das Land bereits zwei bestätigte Fälle von Reisenden aus China hat. Ein Patient durfte das Krankenhaus bereits wieder verlassen und ist heimgekehrt. Eine 74-jährige Frau wird noch im Institut für Infektionskrankheiten in Nothanburi behandelt. Für weitere Unruhe sorgte am Nachmittag der Verdacht, dass nun auch ein Thailänder infiziert sein könnte. Allein aus Wuhan kommen täglich 1200 Passagiere in Bangkok, Chiang Mai und Phuket an. In den vergangenen rund zwei Wochen überprüften die Gesundheitsbehörden mehr als 18 000 Fluggäste und Besatzungsmitglieder. Doch das ist nur ein Bruchteil aller Passagiere. Ende der Woche hatte die Regierung noch versichert, niemand brauche in Panik geraten, es gebe keinen Ausbruch. Nun aber verstärkt der Staat den Schutz für sein medizinisches Personal. Etwa 30 Menschen wurden unter Quarantäne gestellt.

In den Philippinen, wo ebenfalls beliebte Ziele liegen, etwa die Insel Boracay, untersuchen die Ärzte ein krankes fünfjähriges Mädchen, das am 12. Januar aus Wuhan kam. Laborproben wurden nach Australien geschickt, um sicher zu sein, ob das Mädchen mit dem Virus infiziert ist. Dort warnte Gesundheitsexperte Brendan Murphy von der australischen Regierung: "Man kann die Ausbreitung in unser Land hinein nicht komplett verhindern." In Australien landen jährlich etwa eine Million Touristen aus China, jede Woche etwa 160 Flugzeuge. Und selbst in den weit entfernten USA wurde nun eine Ansteckung nachgewiesen. Das Corona-Virus wurde bei einem Reisenden aus China in Seattle entdeckt, teilte die für Seuchen zuständige US-Behörde CDC am Dienstag mit.

Deutlich stärker sind jedoch die Drehkreuze Asiens betroffen, wie etwa Singapur. Die Mehrheit der dortigen Bevölkerung hat ihre Wurzeln in China, anfangs überprüfte der Stadtstaat nur ankommende Fluggäste aus Wuhan mit Temperaturmessern, nun gilt das Screening generell für alle Flüge aus China. In Singapur ist die Erinnerung noch wach an die schlimmen Wochen 2003, als sich Sars verbreitete und auch der streng überwachte und effiziente Stadtstaat am Äquator nicht verhindern konnte, dass 33 Menschen starben.

In Japan war ein Mann über 30 Anfang Januar mit Fieber aus Wuhan zurückgekehrt. Mittlerweile geht es dem Mann zwar wieder gut. Premierminister Shinzo Abe gab trotzdem keine Entwarnung: "Wir müssen wachsam sein." In Südkorea, wo am Flughafen in Incheon nahe der Hauptstadt Seoul eine erkrankte Patientin aus Wuhan angekommen war, gibt es nun ebenfalls scharfe Kontrollen. Die 35-jährige aus China ist auf einer Quarantänestation. Ihr Zustand soll stabil sein.

Wahrscheinlich nirgendwo reagierte man aber so schnell und heftig wie in Hongkong und Taiwan. Die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong traf die Krise 2003 während des Ausbruchs des Sars-Virus fast völlig unvorbereitet. Die Behörden in China hatten den Ausbruch in Guangzhou an der Grenze zu der Sieben-Millionen-Metropole lange vertuscht und so die Ausbreitung in der Nachbarstadt zugelassen. Die Hongkonger haben das Peking nie vergessen. Egal, was Chinas Behörden dieser Tage sagen oder tun, die Menschen in Hongkong glauben ihnen kein Wort.

In Taiwan, dem Inselstaat vor Chinas Küste, ist der Fall komplizierter. Auch dort gibt es viele Touristen, wenn auch weniger als früher. Das Land ist wegen Drucks aus Peking kein Mitglied in der Weltgesundheitsorganisation, durfte in den vergangenen Jahren nicht einmal als Beobachter an UN-Sitzungen teilnehmen. Eine politische Strafaktion Pekings, die sich gegen die Regierung in Taipeh richtet. Chinas Außenministerium bestand am Dienstag allerdings darauf, die "chinesische Provinz Taiwan" bestens über den Ausbruch auf dem Laufenden zu halten.

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SZ vom 22.01.2020
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