Panama Papers:Der Glanz von Baku

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Strahlt so hell und bunt, operiert aber gern im Dunklen: die First Family Aserbaidschans.

(Foto: Peter Hoffmann)

Die Alijews herrschen in Aserbaidschan fast so, als wäre das Land eine Monarchie. Die Hauptstadt glitzert, und das Vermögen der Präsidenten-Familie wächst kräftig. Die hübschen Töchter des Staatschefs spielen dabei eine besondere Rolle: Sie stecken ausweislich der Panama Papers hinter mehreren Briefkastenfirmen.

Von Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Frank Nienhuysen

Leyla Alijewa ist in gewisser Hinsicht eine sehr öffentliche Person. Die hübsche Tochter des Präsidenten von Aserbaidschan besucht, nachzulesen in der Klatschpresse, gerne Partys in London. Man trifft sie bei Vernissagen in der britischen Hauptstadt oder auf der Kunst-Biennale in Venedig. Zu ihren Freunden, schreibt der Guardian, zählen Prinz Andrew und Elisabeth Murdoch, die Tochter des Medien-Unternehmers Rupert Murdoch. Man findet die 30-jährige Präsidententochter, die in London am Queen's College und an der European Business School studiert hat, auch auf Twitter oder Instagram, wo sie ihren fast 270 000 Abonnenten auf bunten Fotos ihr Leben ausbreitet: als Tochter des Staatschefs, Vorsitzende einer gemeinnützigen Stiftung, Society-Girl.

In gewisser Hinsicht ist Leyla Alijewa aber auch eine Person, die das Licht der Öffentlichkeit scheut - und zwar vor allem, wenn es um Geld geht, um wirtschaftliche Macht, um finanziellen Einfluss. Denn die Präsidententochter taucht gemeinsam mit ihrer Schwester Arzu in den Panama Papers als angebliche Eigentümerin oder Begünstigte mehrerer Briefkastenfirmen beziehungsweise Stiftungen auf. Die Dokumente legen den Verdacht nahe, dass sich Präsident Ilham Alijew und seine Familie über diskrete Offshore-Konstruktionen den Zugriff auf einen der wichtigsten Industriekonzerne des Landes, die Ata-Holding, gesichert haben - und außerdem auf eine Goldmine in Aserbaidschan. Eine zentrale Rolle spielen dabei in den vergangenen Jahren offenbar die beiden Töchter des Präsidenten: Leyla und Arzu.

Dass die Familie Alijew Verbindungen zu Briefkastenfirmen hat, haben die Süddeutsche Zeitung und internationale Medien bereits im Jahr 2013 enthüllt, damals im Rahmen der sogenannten Offshore-Leaks-Recherchen. Die Panama Papers eröffnen nun aber einen sehr viel besseren und vor allem umfassenderen Blick auf dieses geheime Reich. Sie zeigen, dass das Offshore-Imperium der Familie Alijew viel größer ist als bisher angenommen.

Die ältere Tochter singt, die jüngere gibt ein Style-Magazin heraus

Die Alijews sind nicht irgendeine Herrscherfamilie, sondern sie regieren - obwohl nicht von königlichem Blut - das Land mit Prunk und Protz, fast wie eine Monarchie. Die Frau des Präsidenten, Mehriban, etwa leitete das Organisationskomitee der Europaspiele, die im Jahr 2015 mit Pomp und Gloria ausgetragen wurden und die eine Art europäische Olympische Spiele sein sollen. Ihre jüngere Tochter, Arzu, wurde als singende Protagonistin eines Werbevideos bekannt, in dem die mondänen, glitzernden Seiten des Landes gepriesen werden, die wuchtigen Hochhäuser, von denen die drei Türme der "Flame Towers", Flammen gleich, 190 Meter hoch in den Himmel von Baku ragen. Die ältere Tochter, Leyla, gibt als Chefredakteurin das edle Style-Magazin Baku heraus und riet ihren Lesern vor zwei Jahren, zur Biennale in Venedig bequeme Kleidung einzupacken, um die Feste dort zu genießen: "Gefeiert wird sowieso barfuß, denn die besten Partys finden auf Yachten statt."

Das Offshore-Imperium der schillernden Präsidentenfamilie ist in den knapp 13 Jahren entstanden, in denen Ilham Alijew nun als Präsident in der Hauptstadt Baku regiert, in jener Metropole also, in der vor 100 Jahren so viel Öl gefördert wurde wie im gesamten Rest der Welt. Baku zog damals Industrielle wie Alfred Nobel oder die Gebrüder Rothschild an, die in neogotischen Villen residierten. Nach dem Ende der Sowjetunion erlebte Aserbaidschan aufs Neue einen Energieboom. Wer hier herrscht, zwischen Russland und Iran, kontrolliert ein prosperierendes Land.

Die Wahl Alijews zum Präsidenten der ehemaligen Sowjetrepublik war 2003 eine ausgemachte Sache. Er trat das Erbe seines Vaters Heydar an, eines ehemaligen KGB-Offiziers, der die vorhergegangenen zehn Jahre das Land im Kaukasus geführt hatte. Wahlbeobachter berichteten damals, dass die Polizei Oppositionelle vor der Abstimmung verprügelt und einige von ihnen inhaftiert habe.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit nutzte Alijew seither mithilfe seiner Familie, seiner Berater und enger Verbündeter ein Netz aus Briefkastenfirmen, offenbar um teure Immobilien im Ausland zu kaufen und sich einflussreiche Positionen in der heimischen Industrie zu sichern. Dies geht unter anderem aus den Panama Papers hervor, jenen internen Daten des Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden.

Industriekonzern oder Goldmine: Stets tauchen die Namen von Leyla und Arzu auf

So zeigen die geleakten Dokumente zum Beispiel, dass sich die First Family offenbar - ohne dass dies in dem Ausmaß bisher bekannt war - die Kontrolle über eine Goldmine in Westen von Aserbaidschan gesichert hat. Für jene Mine hatte die Regierung in Baku die Abbaurechte an die Azerbaijan International Mineral Resources Operating Company Ltd. vergeben. Ausweislich der Panama Papers gehört dieses Unternehmen offenbar zu 56 Prozent zwei Firmen, die demnach - über drei zwischengeschaltete Briefkastenfirmen - von Leyla und Arzu Alijewa, den beiden Töchtern des Präsidenten, und einem Freund der Familie kontrolliert werden.

Nur die Rolle einer der beiden Firmen, denen die Mehrheit an dem Minenunternehmen gehörte, war bisher bekannt. Die Globex International besitzt elf Prozent des Minenkonzerns, wie ein Verbund investigativer Journalisten, das Organized Crime and Corruption Reporting Project, das auch an dieser Recherche beteiligt war, 2012 aufdeckte. Globex gehörte demnach den Töchtern des Präsidenten und dem Freund der Familie, und zwar über die drei Briefkastenfirmen in Panama.

Die Dokumente aus der Kanzlei Mossack Fonseca zeigen nun, dass diesen drei Offshore-Firmen ganz offenbar auch ein weiteres Unternehmen aus Panama namens Londex Resources S.A. gehört. Über dieses Unternehmen finden sich mehr als 400 Dokumente in den Panama Papers, darunter Rechnungen, Mails und Anweisungen für die Eröffnung eines Bankkontos.

Die Londex Resources besitzt den Unterlagen zufolge 45 Prozent der Anteile an dem Minenunternehmen, dazu kommen die elf Prozent von Globex. Unterm Strich bedeutet dies: Den Töchtern des Präsidenten und dem Freund der Familie gehören demnach, getarnt über ein Netz aus Briefkastenfirmen, 56 Prozent an einem Minenunternehmen, welches von der Regierung die Schürfrechte an der Goldmine erhielt.

Doch es ist nicht das einzige glänzende Geschäft, an dem die beiden Töchter offenbar beteiligt sind, wie die Panama Papers zeigen. So ist die Präsidentenfamilie offenbar schon seit Längerem mit der Ata-Holding verbandelt, einem der größten Industriekonglomerate des Landes. Der Ata-Holding gehören große Teile der aserbaidschanischen Banken, der Telekommunikation, des Bau-, Minen- sowie des Öl- und Gasgewerbes des Landes. Sie besaß im Jahr 2014 - dem letzten Jahr, für das Daten publiziert wurden - ein Vermögen von mehr als 480 Millionen Dollar.

Geschaffen und beherrscht wurde die Ata-Holding einst von Fazil Mammadow, dem aserbaidschanischen Minister für Steuern. Er begann damit einige Monate bevor Alijew seine Amt als Präsident antrat und lud die Alijews anschließend ein, in dieses Unternehmen einzusteigen. Dadurch sicherte sich der Minister und Unternehmer auf Jahre die Freundschaft mit dem Präsidenten und politischen Einfluss.

Nach außen hin war offensichtlich alles darauf ausgelegt, die wahren Besitzverhältnisse zu verschleiern. So zeigen die Panama Papers, dass der Minister über Mossack Fonseca eine Firma namens FM Management Holding Group S.A. gründen und mit Scheindirektoren ausstatten ließ. Danach gründete er den Papieren zufolge eine panamaische Stiftung namens UF Universe Foundation. Solche Stiftungen unterliegen in Panama strikten Verschwiegenheitsregularien. Wer dort unbefugt Informationen über eine Stiftung - zum Beispiel über deren Hintermänner - öffentlich macht, dem drohen hohe Geld- und im schlimmsten Fall sogar Haftstrafen. Auf eine Anfrage antwortete der Minister nicht.

Im Jahr 2005 wurde die Frau des Präsidenten, Mehriban Alijewa, Managerin der Stiftung. Zudem sollten damals die Anteile an der Stiftung neu verteilt werden, wie aus dem Anhang einer als "sehr wichtig" eingestuften E-Mail hervorgeht, die ein Anwalt aus Aserbaidschan im Februar 2005 an Mossack Fonseca geschickt hat. Demnach sollten die beiden Präsidententöchter Leyla und Arzu zu je 15 Prozent beteiligt werden; sie waren damals 19 und 17 Jahre alt.

Auch ihr erst sechsjähriger Bruder Heydar sollte Begünstigter der Stiftung werden, und zwar mit einem Anteil von 20 Prozent; ebenso der Sohn von Fazil Mammadow, dem Gründer der Ata-Holding. Und weil man gerade dabei war: Auch ein ehemaliger Beamter des Steuerministeriums, andere Offizielle und der Vorstandschef der Ata-Holding sollten kleinere Anteile an der Stiftung erhalten, die damals die Ata-Holding kontrollierte.

Die Eigentümerstruktur wurde durch ein kompliziertes Konstrukt verschleiert

Ob dieser Plan, den der Anwalt aus Aserbaidschan bei Mossack Fonseca vorgelegt hat, jemals umgesetzt wurde, lässt sich aus den Panama Papers nicht nachvollziehen. Klar ist aber, dass die Eigentümerstruktur der Ata-Holding durch ein kompliziertes Konstrukt verschleiert wurde, wie aus einem Diagramm in den geleakten Dokument hervorgeht. Nur wer diese dreifache Schutzschicht durchdringt, kann die Besitzverhältnisse nachvollziehen: Die Mehrheit an der Ata-Holding gehörte wohl einer britischen Holding; diese Holding wiederum gehörte der FM Management in Panama, die Mammadow aufgesetzt hatte; und diese Firma in Panama wurde von der Stiftung UF Universe Foundation kontrolliert.

Im Jahr 2007 wurden die Verhältnisse dann neu geordnet und die Stiftung, an der die Kinder des Präsidenten beteiligt werden sollten, wurde vorübergehend geschlossen, ehe sie dann den geleakten Dokumenten zufolge sieben Jahre später wieder reaktiviert wurde. Heute ist die Ata-Holding nach eigenen Angaben zu 51 Prozent im Besitz einer Firma namens Hughson Management Inc. Und wer wiederum kontrolliert dieses Unternehmen? In einem Brief von Mossack Fonseca, der aus dem Jahr 2010 datiert ist, werden als Direktoren der Firma die beiden Präsidententöchter genannt: Leyla und Arzu. Außerdem jener Freund der Familie, ein Geschäftsmann aus der Schweiz. Ob das Trio heute noch diese Funktion innehat, lässt sich aus den Daten nicht nachvollziehen.

Außerdem geht aus den Unterlagen hervor, dass die Präsidenten-Töchter Leyla und Arzu offenbar zwei bislang unbekannte und auf den Britischen Jungferninseln registrierte Firmen kontrolliert haben. Sie heißen Kingsview Developments Limited und Exaltation Limited. Letztere wurde den Dokumenten zufolge im Januar 2015 gegründet, um darin eine britische Immobilie im Wert von mehr als einer Million Dollar zu verbergen.

Auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung und des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalisten reagierten die beiden Frauen und der Schweizer Geschäftsmann nicht. Als Reaktion auf frühere Enthüllungen zu Briefkastenfirmen hatte ein Sprecher des Präsidenten mitgeteilt, Leyla und Arzu seien erwachsen und hätten das Recht, Geschäfte zu machen. Vor einigen Tagen sagte ein Sprecher Alijews dem Fernsehsender Euronews, dass "alle Firmen" von Angehörigen des Präsidenten "völlig legal und transparent" seien.

"Es ist nicht ungewöhnlich, dass Herrscherfamilien und Clans ihre wirtschaftliche Macht teilen, damit ihr Regime an der Macht bleibt", sagt Richard D. Kauzlarich. Der Amerikaner ist außerordentlicher Professor an der George Mason University und war von 1994 bis 1997 Botschafter der USA in Baku. "In Aserbaidschan", sagt Kauzlarich, "ist dieses System sicher perfektioniert worden."

Mitarbeit: Will Fitzgibbon, Miranda Patrucic, Marcos García Rey

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