Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus:Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Neonazigruppe

  • Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt seit März 2018 wegen rechten Terrors gegen die Neonazi-Truppe "Aryans".
  • Sie hat im März 2018 ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Beschuldigte eingeleitet.

Von Susanne Höll, Reiko Pinkert und Annette Ramelsberger

Sie verabreden sich regelmäßig, werfen sich ihre schwarzen Pullover über und fahren los: zu rechten Demonstrationen im ganzen Bundesgebiet, mal nach Dortmund, mal nach Halle. Dann marschieren sie auf, die "Aryans" - so nennen sie sich selbst. Auf ihren Pullovern prangt dieser Name, hinten steht noch: "Support your race" (Unterstütze deine Rasse).

Die selbsternannten Arier lassen keinen Zweifel an ihrer Gesinnung. Wie eine Schutztruppe stellen sich die gewaltbereiten Neonazis vor Gegendemonstranten, manchmal schlagen sie auch zu oder werfen mit Steinen. So wie im Fall eines ihrer führenden Köpfe, Carsten M., der gerade in Halle vor Gericht steht, weil er zwei harmlose Wanderer am 1. Mai 2017 mit einem Starkstromkabel geschlagen und am Kopf verletzt hat. Damals hatten zehn Mitglieder der "Aryans" in zwei Autos Gegendemonstranten verfolgt und dann unbeteiligte Personen angegriffen. Carsten M. gilt als einer der ideologischen Köpfe der Neonazigruppe.

Gegen Carsten M., ein Mitglied der Gruppe, wird derzeit in Halle verhandelt

Während die Staatsanwaltschaft Halle in diesem Fall von einem "typischen Alltagsgeschäft" ausgeht, wird nun bekannt: Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hält das nicht für kriminellen Alltag, sondern ermittelt schon seit März 2018 wegen rechten Terrors gegen die "Aryans". Sie hat nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung im März 2018 ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Beschuldigte eingeleitet - wegen Paragraf 129a Strafgesetzbuch, also wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Im Fokus steht auch Carsten M., gegen den derzeit in Halle verhandelt wird. Bereits im September wurde bei den Verdächtigen in Aschaffenburg, Darmstadt und anderen Orten in Hessen durchsucht. In Haft wurde jedoch niemand genommen.

Neben Carsten S. ist auch dessen Freundin Martina H., 42, in Halle angeklagt. In dem Verfahren gegen sie kam heraus, dass ihr ein Polizist, der früher in Hessen Dienst tat, interne Informationen aus dem Polizeicomputer über ihren rechtsradikalen Freund gegeben haben soll.

Dieser Polizist wird wohl alsbald von der Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Geheimnisverrats angeklagt. Das verlautete am Donnerstag am Rande einer Sondersitzung des Innenausschusses im hessischen Landtag. Innenminister Peter Beuth (CDU) bekräftigte in der Sitzung, es gebe nach dem Wissen der hessischen Sicherheitsbehörden bislang keine Hinweise, dass der inzwischen in der niedersächsischen Polizei tätige Beamte aus rechtsextremer Gesinnung gehandelt habe. Vielmehr habe er die ihm seit Längerem bekannte Frau vor dem Mitangeklagten warnen wollen. Hinweise auf Verbindungen dieses Polizisten zu anderen hessischen Beamten, die rechtsextremer Umtriebe verdächtigt werden, gebe es nicht. In Niedersachsen läuft gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren, das jedoch bis zum Ausgang des Strafverfahrens ruht.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner fordert eine Überprüfung der Verstrickung von Polizisten in die rechtsradikale Szene. "Es drängt sich die Frage auf, ob die 'Aryans' vor Ermittlungen gewarnt wurden. Es ist höchste Zeit für unabhängige Untersuchungskommissionen in Bund und Ländern, die extrem rechte Umtriebe in den Sicherheitsbehörden unter die Lupe nehmen. Schließlich ist dies nicht der erste Fall von Verbindungen zu Neonazis."

Die Terrorermittlungen der Bundesanwaltschaft könnten auch Auswirkungen auf den Prozess in Halle haben. "Die Erkenntnisse aus dem Verfahren der Bundesanwaltschaft müssen hier berücksichtigt werden", fordert Sebastian Scharmer, der einen der Verletzten vertritt. "Die Verharmlosung dieser Gruppe und die Bagatellisierung ihrer Gewalt muss aufhören." Eines der "Aryan"-Mitglieder hatte zu Beginn des Prozesses in der vergangenen Woche noch erzählt, es sei reiner Zufall gewesen, dass alle aus der Gruppe in schwarzen Pullovern mit dem "Support your race"-Aufdruck erschienen seien. Man könne sich so was im Internet bestellen.

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SZ vom 18.01.2019/bix
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