Upload-Filter:Wie die Parteien zur EU-Urheberrechtsreform stehen

Upload-Filter: Illustration: Shutterstock, SZ

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  • Am Dienstag wird das Europaparlament über die geplante EU-Urheberrechtsreform entscheiden.
  • Der Widerstand gegen das Projekt ist groß - an diesem Samstag gibt es in ganz Europa Demonstrationen dagegen.
  • Das Thema überlagert auch den SPD-Europakonvent, aber auch die Union ist in einer unangenehmen Lage.

Von Markus Balser, Robert Roßmann und Mike Szymanski, Berlin

Wer sich auf die Suche nach den größten Widersachern in der Debatte über das Urheberrecht macht, landet fast unweigerlich bei Julia Reda und Axel Voss. Reda, 32, Europaabgeordnete der Piratenpartei, sitzt am Donnerstag auf einem Podium der Berliner EU-Vertretung. Sie argumentiert ruhig. Aufregung? Fehlanzeige. Dabei steht Reda an der Spitze eines der heftigsten Proteste, die es jemals gegen ein EU-Gesetz gegeben hat. Sie will ein Mammutprojekt der EU-Kommission stoppen, die Reform des europäischen Urheberrechts. "Es geht um Freiheit", sagt Reda - und um Angst vor Zensur. Kommende Woche falle die Entscheidung über die Zukunft des Internets.

Axel Voss sitzt an diesem Morgen nur zwei Plätze weiter auf demselben Podium. Der CDU-Politiker ist Chefunterhändler für die Urheberrechtsreform im EU-Parlament - und Redas härtester Gegner in der Debatte. Der 55-Jährige kämpft für die Reform. Auch er bleibt leise. Es gehe darum, das Urheberrecht ins digitale Zeitalter zu hieven, Künstler und Verlage fair zu entlohnen, durch deren Arbeit Plattformen wie Youtube viel an den Inhalten im Netz verdienten, sagt Voss. "Die Freiheit im Netz" wolle keiner einschränken. Der CDU-Mann klagt, dass in der Debatte "Maß und Mitte" vollends verloren gegangen seien.

Die Stimmung ist tatsächlich dermaßen aufgeheizt, dass es vor ein paar Tagen sogar eine Bombendrohung gegen das Büro von Voss gab. Doch das war eine Ausnahme in der scharf, aber gewaltfrei geführten Debatte. Die Petition "Stoppt die Zensurmaschine - Rettet das Internet" auf change.org haben inzwischen mehr als fünf Millionen Menschen unterschrieben. Am vergangenen Donnerstag schaltete Wikipedia seine Seiten aus Protest gegen die Reform stumm. Und an diesem Samstag wird es in Dutzenden europäischen Städten Demonstrationen gegen die Reform geben, der Schwerpunkt liegt in Deutschland. Die größte soll in Berlin stattfinden. Es naht der Tag der Entscheidung.

Am Dienstag wird das Europäische Parlament in Straßburg die Reform bei der entscheidenden Abstimmung billigen oder aufhalten. Dabei zählt jede Stimme, denn es wird ein sehr knappes Ergebnis erwartet. Und so bringen sich auch die Befürworter noch einmal in Stellung. Scheitere die Reform, könnten "digitale US-Quasimonopolisten" ihr teils auf Ausbeutung von Kreativen beruhendes Geschäftsmodell ungehindert weiter betreiben und ihre Marktmacht ausbauen, warnt Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger. Ein Nein zur Richtlinie sei auch ein Nein zur Vielfalt von Kultur und Medien in Europa, sagt Wolff.

Das Problem mit Artikel 13

Wer die Aufregung verstehen will, muss die Details kennen. Denn die Reform betrifft auch bei Jugendlichen beliebte Internet-Plattformen wie Youtube. Hier können Nutzer Videos hochladen. Künftig sollen Plattformen haften, wenn geschützte Inhalte - Lieder oder Filme - darunter sind. Und da beginnt das Problem. Denn nach einer Regelung im bisherigen Artikel 13 der Reform könnten sie gezwungen sein, dafür umstrittene Uploadfilter einzusetzen. Diese Software überwacht automatisch, was Nutzer veröffentlichen, und sortieren aus, was problematisch sein könnte. Das Internet werde kaputtgefiltert, warnt deshalb der IT-Verband Eco.

Kaputtes Internet - darunter geht es in der Debatte kaum noch. Helga Trüpel ist genervt von derartigen Zuspitzungen. Sie gehört zur Straßburger Grünen-Fraktion und hat mehr als zwei Jahre an der Reform gearbeitet. "Ich habe auch ein Freiheitsgefühl", sagt sie. "Aber das ist nicht dereguliert. Gute Regeln sind mit Freiheit vereinbar." Freiheit brauche sie sogar. Die Reform sei eine gute Regelung. Trüpel ärgert sich nicht über den Protest auf der Straße. Der sei von einer ehrlichen Sorge getragen, sagt die Grüne. Sie ärgert sich aber über die Qualität der Debatte. Die populistische Zuspitzung, dass Urheberrechtsschutz das Ende der Freiheit im Netz bedeute, sei völlig übertrieben, sagt Trüpel. Bei einem Besuch im Silicon Valley hätten Konzernvertreter von Google ihr und anderen EU-Parlamentariern erklärt, man werde sich gegen die Reform zu wehren wissen. Trüpel glaubt inzwischen zu verstehen, was gemeint war.

Dass alle Seiten in diesen Tagen in Berlin für ihre Sicht werben, hat einen einfachen Grund. Hier könnte sich der Streit entscheiden. Deutschland hat in der EU eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung hat den Plänen in Brüssel längst zugestimmt. Aber jetzt kommt es auf die Abgeordneten von Union und SPD im Europaparlament an. Werden sie versuchen, die Reform noch zu stoppen?

"Bezahlen statt blockieren" lautet die neue Idee der SPD

Der Zufall will es, dass die Sozialdemokraten ausgerechnet an diesem Samstag in Berlin zu ihrem Europa-Konvent zusammenkommen. Ende Mai wird in Europa ein neues Parlament gewählt. Die Partei will ihr Programm dafür beschließen. Eines für ein sozialeres Europa und ein gerechteres. Die SPD ist quasi startklar - wenn die Urheberrechtsreform nicht wäre. Juso-Chef Kevin Kühnert und andere wollen den Konvent nutzen, um "ein Zeichen" an die Demonstranten draußen zu setzen. Und zwar das Zeichen: "Wir stehen an eurer Seite." Sie bringen damit aber die Bundes-SPD und ihre Minister in eine unangenehme Lage.

Denn für die EU-Richtlinie zum Urheberrecht ist in der Bundesregierung ausgerechnet Justizministerin Katarina Barley zuständig, die Spitzenkandidatin der SPD bei der Europawahl. Sie war es, die der Richtlinie in Brüssel für Deutschland zugestimmt hat - auch wenn sie dabei klarmachte, dass sie den umstrittenen Passus lieber gestrichen sähe. Nur durchsetzen können hat sich die SPD mit dieser Position in der Bundesregierung nicht. Seither stehen die Sozialdemokraten in Mithaftung und sind um Schadensbegrenzung bemüht. Doch geht das noch?

Wenn Abgeordnete Besuchergruppen durch den Bundestag führen, dann kommen oft Fragen nach den Uploadfiltern. Wenn es sich um Schülergruppen handelt, ist das fast immer der Fall. So hat es jedenfalls Jens Zimmermann beobachtet, Digitalpolitiker der SPD. Dabei will die SPD gerade junge Wähler ansprechen. Parteichefin Andrea Nahles will keinen Streit auf dem Europa-Konvent. Die Parteispitze hat sich deshalb zusammengesetzt. Es gibt jetzt einen Antragsentwurf für diesen Samstag, der befrieden soll. "Ja zu einem starken Urheberrecht, Nein zu Uploadfiltern" - heißt es in der Überschrift. Die SPD-Abgeordneten im Europaparlament werden "unterstützt", die Uploadfilter doch noch zu verhindern und lieber auf Lizenzgebühren zu setzen: "Bezahlen statt blockieren". Das ist jetzt der Ansatz. Ob die SPD damit durchkommen wird, ist unklar.

Aber auch die Union ist in einer unangenehmen Lage. CDU und CSU haben die Brisanz des Themas lange unterschätzt. Es ist erst ein paar Wochen her, dass die Kanzlerin beinahe übermütig erklärt hat, dass sie locker damit umgehen könne, dass die umstrittenen Upload-Filter auch "Merkel-Filter" genannt würden. Die Bedenken der Netzpolitiker oder der Jungen Union hatte die CDU-Spitze lange ignoriert. Nicht nur der neue JU-Chef Tilman Kuban ist der Ansicht, dass die Union eine ganze Generation verlieren könnte, wenn sie die Uploadfilter durchsetzt. Inzwischen hat die CDU ihren Kurs korrigiert. Auf Initiative von Generalsekretär Paul Ziemiak haben sich Netz- und Rechtspolitiker der Partei auf ein eigenes Modell verständigt. Grob gesagt will die CDU jetzt weiterhin die Reform des EU-Urheberrechts billigen, aber bei der Umsetzung in Deutschland die Einführung von Upload-Filtern vermeiden.

Aber warum lehnt die CDU in Straßburg die Upload-Filter dann nicht gleich ganz ab? In ihrer Regierungserklärung am Donnerstag hat Merkel darauf hingewiesen, dass Deutschland den umstrittenen Artikel 13 vor allem auf Druck Frankreichs billige. "Müssen wir am Ende bereit sein, ein Stück von unseren Positionen abzugeben, damit auch andere Kompromisse eingehen?", fragte Merkel im Bundestag. Ihre Antwort ist eindeutig: "Ja".

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