UN-Biodiversitätskonferenz:Geld für Tiere

Reger Flugbetrieb im Hofgarten

Stadt Dachau, Flugbetrieb, Hummeln und andere Insekten auf den Blüten im Hofgarten des Schlosses.

(Foto: N.P.JØRGENSEN/N.P.JØRGENSEN)

Die Weltnaturkonferenz in China soll das Artensterben stoppen. Dabei geht es um die Frage: Wie viel sollen die reichen Staaten zahlen - und wie stark dürfen sie dann in Ländern wie Brasilien oder dem Kongo mitreden?

Von Thomas Hummel

Es hatte etwas von Endzeitstimmung im Berliner Museum für Naturkunde. Svenja Schulze stand vor dem weltweit größten Skelett eines Dinosauriers; der Brachiosaurus brancai misst mehr als 13 Meter Höhe. Die Bundesumweltministerin der SPD erklärte, man befinde sich inmitten des größten Massenaussterbens, seitdem vor etwa 65 Millionen Jahren diese riesigen Tiere verschwanden. Damals sei der Einschlag eines Meteorits die Ursache gewesen, "diesmal tragen wir Menschen die Verantwortung. Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen". Durchschnittlich alle zehn Minuten, führte die Ministerin aus, gehe heute eine Tierart unwiederbringlich verloren, weil sich der Mensch zu sehr ausbreite. Das gefährde auf Dauer auch die eigene Existenz.

Schulzes Rede hallte durch das Museum. Gerichtet war sie ins 7800 Kilometer Luftlinie entfernte Kunming, wo am Montag die 15. Weltnaturkonferenz eröffnet wurde. Wissenschaft sowie Umweltverbände fordern, dass von der südchinesischen Provinz aus ein Signal des Umsteuerns kommt, ein "Paris-Moment" für den Artenschutz, in Anlehnung an das Klimaabkommen 2015. Schulze schloss sich an: "Die Konferenz ist die Chance für einen Neustart", sagte sie. Ihr Ziel sei es, dem Artensterben und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Stoppschild zu setzen. Doch ist das realistisch?

Bereits im Jahr 2010 vereinbarten die fast 200 Mitgliedstaaten der sogenannten UN-Biodiversitätskonferenz in der japanischen Präfektur Aichi 20 Ziele zum Schutz der Arten. Sie wurden allesamt verfehlt, die meisten deutlich. Im ersten Entwurf zu einer neuen Rahmenvereinbarung steht nun, dass 30 Prozent der Land- und Meeresfläche unter Schutz gestellt werden sollten. Die Landwirtschaft müsse den Einsatz von Düngemitteln halbieren, von Pestiziden um zwei Drittel reduzieren. Selbst für Skeptiker sind das ambitionierte Ziele, wenn sie denn im Mai 2022 auch in der globalen Vereinbarung stehen. Allerdings sind sie bislang unverbindlich, es gibt kein Monitoring und keine Sanktionsmöglichkeit.

Deutsche und weitere Europäer wollen das nun ändern. Andere eher nicht. Brasilien etwa sehe den Amazonas-Regenwald nicht als globales Terrain, wie ein Mitglied des deutschen Verhandlungsteams sagt. Unter Jair Bolsonaro zumal. Der rechtspopulistische Präsident unternimmt wenig gegen die immer stärkere Abholzung. Viele afrikanische und asiatische Länder wollen sich ebenso wenig in interne Angelegenheiten reden lassen. Dabei liegen gerade rund um den Äquator viele der sogenannten megadiversen Gebiete, die die Welt noch hat. Geht dort die Zerstörung der Natur weiter, befürchten Beobachter tatsächlich ein Massenaussterben. Auch die Gefahr, dass Viren von Wildtieren auf den Menschen überspringen, wie offenkundig bei Covid-19 geschehen, steige demnach, da der Mensch zunehmend in ihren Lebensraum eindringt. Doch Umweltausbeutung bedeutet kurzfristig oft wirtschaftlichen Gewinn. Und so wollen sich Länder wie Brasilien, der Kongo oder Indonesien ihren Verzicht bezahlen lassen. Es geht ums Geld.

China wird immer noch als Entwicklungsland geführt - und erhält Geld

Eine Studie von Instituten und Organisationen in den USA kam zu dem Schluss, dass weltweit mehr als 600 Milliarden Euro pro Jahr nötig seien, um das Artensterben zu stoppen. Diese immense Summe soll hauptsächlich durch den Verzicht von naturschädlichen Subventionen finanziert werden. Deutschland ist mit bislang 800 Millionen Euro pro Jahr einer der größten Geldgeber. Auf der anderen Seite stehen nach Rechnung von Umweltorganisationen mehr als 60 Milliarden Euro Subventionen für naturschädliches Verhalten. Etwa Steuerbefreiung für Kerosin, die Pendlerpauschale oder die reduzierte Mehrwertsteuer für tierische Produkte.

Unklar ist, welchen Impuls China setzt. Die Gastgeber gaben sich im Vorfeld bedeckt. Manch einer befürchtet, China habe kein Interesse, dass sich der Status quo zu stark ändere. Es wird immer noch als Entwicklungsland geführt und steht so auf der Liste der Geldempfänger. Andere hoffen auf einen Paukenschlag aus Peking, um das Image der Naturzerstörer zu korrigieren. Für Johannes Vogel, Leiter des Naturkundemuseums und Professor für Biodiversität, wäre das dringend nötig. Er zog am Montag neben Svenja Schulze und vor dem Brachiosaurus brancai einen Vergleich zum Klimawandel. Dieser beeinflusse, wie wir Menschen künftig auf der Erde leben. "Der Erhalt der Arten entscheidet, ob wir leben."

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