Artenvielfalt:Forscher fordern mehr Natur

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Stiller Frühling: Auch Bienen sind vom Artensterben bedroht und mit ihnen viele Pflanzenarten. (Foto: dpa-tmn)

Eine Gruppe von Wissenschaftlern richtet einen dramatischen Appell an die Bundesregierung: Deutschland müsse alles in die Waagschale werfen, um das Artensterben noch zu stoppen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Angesichts eines dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt verlangen Wissenschaftler dringend mehr Engagement von der Bundesregierung. "Deutschland trägt eine große Verantwortung", heißt es in einer Berliner Erklärung, hinter der unter anderem die Leiter der großen naturkundlichen Museen des Landes stehen. Die Bundesrepublik habe das Potenzial, "große Beiträge zur Bewältigung" von Klima- und Artenkrise zu leisten. "Kein Land ist dafür besser aufgestellt, keine Aufgabe ist dringlicher", appellieren die Wissenschaftler.

Hintergrund des Appells ist die bevorstehende Artenschutz-Konferenz, nach derzeitiger Planung soll sie Ende August im chinesischen Kunming beginnen. Deutschland könne seinen Vorsitz im Industriestaaten-Zirkel G 7 dazu nutzen, die Gruppe zu konkreten Zusagen zu bewegen. Auch müsse Berlin beim Gipfel in China darauf drängen, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter wirksamen Schutz zu stellen, heißt es in der Erklärung. "Das Artensterben ist real, durch den Menschen verursacht, und es trägt dazu bei, den Klimawandel voranzutreiben", sagte Johannes Vogel, der Direktor des Berliner Naturkundemuseums. "Wir führen als Menschheit kollektiv ein Experiment durch." Der Versuchsgegenstand sei das Leben auf der Erde. Von den sechs bisherigen Aussterbekrisen seien fünf durch externe Einflüsse ausgelöst gewesen, etwa Meteoriten-Einschläge. Diesmal sei der Mensch selbst schuld.

Der Aufruf kommt ziemlich genau 30 Jahre nach der ersten großen Artenschutzkonferenz, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Seither schreite "der Verlust dieser einzigartigen Vielfalt ungebremst voran", mahnen die Wissenschaftler. Dabei ließe sich vergleichsweise einfach viel erreichen, wenn man mehr Natur zulasse - sei es durch neue Naturschutzgebiete, die Wiedervernässung von Mooren oder begrünte Dächer. Finanzieren lasse sich das durch den radikalen Ab- oder Umbau umweltschädlicher Subventionen, die das Umweltbundesamt auf mehr als 65 Milliarden Euro jährlich taxiert. Letztlich komme eine solche Natur-Offensive auch den Bürgerinnen und Bürgern zugute, werben die Wissenschaftler. "Die Lebensqualität leidet bei einer verarmten Natur", sagte Klement Tockner, Direktor der Frankfurter Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung. "Wir führen einen Kampf gegen die Zukunft, aber es ist ein unfairer, denn die Zukunft kann sich nicht wehren."

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