Der Ruf nach einer neuen Abstimmung über den Brexit ist in den vergangenen Tagen in Großbritannien lauter geworden, nachdem die britische Polizei Ermittlungen gegen den Hauptsponsor der EU-Austrittskampagne eingeleitet hat. Die Verfechter eines zweiten Referendums fragen nun, ob man das Ergebnis der Volksabstimmung von 2016 umsetzen müsse, wenn diese manipuliert, mit ausländischem Geld finanziert und von Gesetzesbrüchen begleitet gewesen sei. Und wenn ja, ob dann diese Informationen nicht zumindest in ein zweites Referendum einfließen müssten, damit das Ergebnis diesmal auf ehrliche Weise zustande komme?
Ziel der Ermittlungen der National Crime Agency, einer Behörde zur Ermittlung schwerer Straftaten, ist der britische Industrielle Arron Banks. Er hatte die Kampagne für den Austritt Großbritanniens, Vote Leave, mit stolzen acht Millionen Pfund (9,2 Millionen Euro) unterstützt. Zuletzt hatte die staatliche Wahlkommission untersucht, ob der Versicherungsmakler, der Teile seines Vermögens im Steuerparadies Isle of Man angelegt hat, die Millionen, die in den Brexit flossen, aus eigenem Vermögen finanziert hat oder aus fremden Quellen bezog. Vermutet wird, dass Banks das Geld "mit großer Wahrscheinlichkeit" aus russischen Quellen bekam.
Banks, der schon vor der Kampagne die EU-Austrittspartei Ukip und deren Chef Nigel Farage unterstützt hatte, bestreitet das. Seit der Abstimmung, die knapp für den Brexit ausging, wird in Großbritannien darüber gestritten, ob etwa Russland mit Medienkampagnen, Trollen, Desinformation, Geld und Mittelsmännern in die Debatte eingegriffen und das Ergebnis im eigenen Interesse manipuliert hat.
Banks räumte Treffen mit dem russischen Botschafter erst später ein
Vor dem Brexit hatte Banks sich ein knappes Dutzend Mal mit dem russischen Botschafter in London, Alexander Jakowenko, sowie mit russischen Investoren getroffen. Er selber bestritt dies lange und räumte die Treffen erst nach und nach ein, als ihm Medien diese Gespräche sowie Angebote für diverse Geschäfte nachwiesen. Offenbar hatten russische Mittelsmänner Banks unter anderem Anteile an Firmen angeboten, die Gold schürfen und verkaufen. Zudem hatte Banks wohl, wie die Wahlkommission in ihrem Bericht darlegte, nicht nur intensiven Kontakt zu russischen, sondern auch zu amerikanischen Pro-Brexit-Kreisen, konkret zum damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.
Parallel zu den Ermittlungen der staatlichen Wahlbehörde untersuchte auch ein Parlamentskomitee das Sponsoring, mit dem "Rock Holdings" mit Sitz auf der Isle of Man, eine Firma von Arron Banks, die Kampagne finanziert hatte. Auch die Abgeordneten des Komitees für Digitales, Kultur, Medien und Sport hegen begründete Zweifel daran, dass Banks, der vor wenigen Jahren noch Geldprobleme hatte, plötzlich acht Millionen Pfund spenden konnte. Sie wiesen außerdem empört darauf hin, dass er sich entsprechenden Befragungen in Westminster mehrere Male entzogen habe, um nicht Rede und Antwort stehen zu müssen.
Nun stellt sich auch der britischen Polizei die Frage, woher Banks das Geld hatte und ob er zudem Kundendaten aus seinen Versicherungsunternehmen für die Brexit-Kampagne nutzte. Wie die Financial Times berichtet, gab Banks an, er habe eine seiner vielen Firmen erfolgreich für 145 Millionen Pfund verkauft; entsprechende Recherchen ergeben aber nur einen Erlös von sechs Millionen. In einem Fernsehinterview am Sonntag sagte Banks, ein überaus selbstbewusster, bisweilen schnoddrig-arroganter Selfmademan, es habe kein russisches Geld und keine russische Intervention gegeben. Wer das behaupte, wolle nur den Brexit stoppen.