Gut ein Viertel der 18- bis 24-Jährigen in Deutschland ist in Gefahr, in Armut abzurutschen. Die Quote ist so hoch wie in keiner anderen Altersgruppe. Diese jungen Menschen fallen, indem sie volljährig werden, aus vielen staatlichen Hilfen heraus - und geben sich größte Mühe, sich die Not nicht ansehen zu lassen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) wirft nun ein Licht auf das Phänomen der versteckten Jugendarmut.
Locker, luftig und leicht verläuft der Start ins selbständige Leben bei denen nicht, die eh schon Ballast mit sich tragen müssen. "Junge Menschen, die aus armen Familien kommen, müssen oft noch die Verantwortung für Geschwister, für den Haushalt und für das Familieneinkommen mittragen", sagt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Lisi Maier.
Der "Monitor Jugendarmut" wird an diesem Freitag in Gelsenkirchen vorgestellt. Laut Statistischem Bundesamt sind 3,4 Millionen Kinder und Jugendliche von Armut betroffen. Insgesamt, über alle Altersgrenzen hinweg, sind dies in Deutschland 13,4 Millionen Menschen.
Die Scham, arm zu sein, ist immer da. "Man muss davon ausgehen, dass es neben den offiziellen Zahlen noch eine erhebliche Dunkelziffer gibt. Insgesamt sprechen wir dann über mehr als 4,4 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die von Armut betroffen sind", sagt Stefan Ewers von der katholischen Arbeitsgemeinschaft.
Was genau bedeutet Armut? Als arm gelten der gängigen Definition zufolge Menschen, deren Einkommen jeweils niedriger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung ist. In Deutschland heißt das: Arm ist, wer als Single weniger als 999 Euro netto monatlich hat; bei einem Erwachsenen und einem Kind in einem Haushalt liegt die Schwelle bei 1299 Euro für beide zusammen.
Dass gerade junge Menschen, die volljährig geworden sind, in einer Situation stecken, in der Ungemach von mehreren Seiten droht, ist ein Umstand, der bislang wenig Beachtung gefunden hat.
Viele staatliche Hilfen enden mit Erreichen des 18. Lebensjahres. Die katholischen Sozialarbeiter werfen dem Staat vor, Familien, die bisher auf die Grundsicherung, also Hartz IV, angewiesen waren, nicht genug zu unterstützen. Beginne ein Kind eine Ausbildung, so schmälere die Ausbildungsvergütung letztlich das Familieneinkommen - weil die Grundsicherung nun gekürzt werde. "Die Quote der verfestigten Armut hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt", warnt Ewers. Er wirft dem Staat auch vor, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz sich selbst und den Jugendlichen im Weg zu stehen: Diese würden von unterschiedlichen Behörden betreut. Wechselnde Anlaufstellen und Zuständigkeiten seien die Folge.
Auch gebe es de facto ein Verbot für unter 25-Jährige aus Hartz-IV-Familien, von daheim auszuziehen; egal, wie zerrüttet womöglich dort das Verhältnis ist. Tun sie es doch, können die jungen Leute nicht mit dem vollen Grundsicherungsbetrag von 416 Euro pro Monat rechnen, sondern nur mit 327 Euro. Zudem drohten weitere Kürzungen der Hilfen.
Und dass junge Menschen unter 25 Jahren nicht nur besonders häufig, sondern auch besonders hart bestraft werden, also weniger oder gar kein Geld bekommen, liegt oft an Versäumnissen: Wenn man gerade volljährig ist und aus einem schwierigen Elternhaus kommt, gelingt es den wenigsten, alle Auflagen der Ämter akkurat zu erfüllen.
Auf sich alleingestellt sind mit 18 Jahren auch die 180 000 Jugendliche, die in Heimen, in Wohngruppenoder bei Pflegefamilien aufwachsen. Laut "Monitor Jugendarmut" endet mit der Volljährigkeit für etwa 75 Prozent von ihnen die Möglichkeit, dort zu bleiben. Sie müssen ein neues Zuhause finden. Was nicht immer gelingt: Das Deutsche Jugendinstitut schätzt, dass 37 000 junge Erwachsene keine Wohnung haben und sich teils auf der Straße durchschlagen müssen.
Dass Jugendarmut unter den Brücken wiederum nicht deutlich sichtbar ist, erklärt Lisi Maier so: "Arme junge Menschen verdecken gekonnt ihre Situation. Sie legen oft besonderen Wert auf ihre Kleidung und ihr Äußeres, damit man ihnen die Armut nicht ansieht."
Dringend fordert die Arbeitsgemeinschaft nun, die verschärften Regelungen für junge Menschen bei Hartz IV abzuschaffen - als ersten Schritt. Die unter 24-Jährigen bräuchten Hilfe statt Sanktionen.