EU-Türkei-Beziehungen:Kotau vor Erdoğan geht anders

Allein schon die Tatsache, dass die Bundesregierung sich noch einmal zur Armenier-Resolution verhält, ist eine Geste gegenüber der Türkei. Mit einer "inhaltlichen Distanzierung" hat das aber nichts zu tun.

Kommentar von Nico Fried

Eines vorweg: Wenn Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier offiziell sagten, was sie persönlich wirklich über die Armenier-Resolution des Bundestages denken, dann wäre das Verhältnis zum Parlament wohl tatsächlich erschüttert.

Die Kanzlerin hat nie recht verstehen wollen, weshalb gerade Deutschland mit seiner Geschichte anderen Ländern Vorgaben zum Umgang mit seiner Vergangenheit machen muss. Und dem Außenminister ist der realpolitische Fortschritt in der Regel auch bedeutend wichtiger als die symbolpolitische Demonstration. Trotzdem haben sich beide den Mehrheiten in ihren Fraktionen am Ende nicht mehr in den Weg gestellt.

Nun hat sich die Bundesregierung über ihren Sprecher noch einmal zur Resolution des Bundestages verhalten. Sie hat noch einmal erklärt, dass das Parlament souverän entscheide und dass die Resolution politisch gemeint ist, aber nicht rechtlich bindend. Ja, allein schon die Tatsache, dass das Thema noch einmal aufgerufen wird, ist eine Geste gegenüber der Türkei. Zumal, nachdem der türkische Außenminister entsprechende Forderungen gestellt hatte. Mit einer inhaltlichen Distanzierung aber hat das nichts zu tun.

Wer in diesem Verhalten von Merkel und Steinmeier einen Kotau vor Präsident Erdoğan sehen will, der wird ihn sehen. Manche Grüne und die AfD waren sich da schon vor der Erklärung erstaunlich einig. Und natürlich kann man auch sagen, dass die Bundesregierung einfach darauf hätte bestehen müssen, dass Abgeordnete die Soldaten der Bundeswehr besuchen dürfen - bedingungslos.

Aber bei nüchterner Betrachtung gilt doch auch: Wenn die erneute Feststellung dessen, was nie in Zweifel stand, der Preis dafür ist, einen Streitpunkt mit der Türkei beizulegen, dann ist das ein vertretbarer Preis. Und all jene, die sich schon vorher über eine Erklärung der Regierung erregt haben, die sie noch gar nicht kannten, sollten darüber nachdenken, ob sie mit dieser Interpretation der türkischen Regierung nicht viel mehr in die Hände gespielt haben als Merkel und Steinmeier.

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