Armenien:101 Jahre Warten

Armenien reagiert erleichtert auf das Votum, es bedeutet eine große moralische Unterstützung. Nun wartet das Land gespannt auf den Papst, Franziskus kommt Ende Juni zu Besuch.

Von Frank Nienhuysen

Das Votum im Bundestag war gerade gefallen, als in Armenien die Erleichterung spürbar wurde. 101 Jahre habe "die internationale Gemeinschaft darauf warten müssen, dass die Türkei sich ihrer Geschichte stellen muss", sagte der armenische Außenminister Edward Nalbandian am Donnerstag in Eriwan. "Während Deutschland und Österreich, die mit dem Osmanischen Reich verbündet waren, ihre Komplizenschaft beim Völkermord anerkannt haben, bleibt die Türkei dabei, den unbestreitbaren Genozid unerbittlich zu leugnen", sagte er.

Für Armenien bedeutet die Resolution des Bundestags eine große moralische Unterstützung, denn die Spannungen mit der Türkei sind nach wie vor immens, die Grenze mit dem großen Nachbarn noch immer geschlossen. Der Berg Ararat, auf türkischem Gebiet gelegen, gilt den Armeniern auch heute noch als nationales Symbol. Auf die Anerkennung des Völkermords hat die armenische Führung seit Jahrzehnten hingearbeitet. Nun, da die Resolution greifbar war, hatte Staatspräsident Sersch Sargsjan deshalb vor der Abstimmung in Berlin davor gewarnt, die Resolution aus Rücksicht auf die Türkei doch noch scheitern zu lassen.

Nun setzt das Land auf den Papst. Er kommt im Juni zu Besuch

Die Erinnerungskultur an den Völkermord vor hundert Jahren wird in Armenien seit Generationen gepflegt, und die entstandene Wunde spielt auch in anderen Konflikten eine große Rolle. Als in den vergangenen Monaten der Streit mit Aserbaidschan über das von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach aufs Neue aufflammte, nutzte Eriwan dies für Hinweise auf die Tragödie von einst, die sich nicht wiederholen dürfe. Die Geschichte ist die nationale Klammer, welche die drei Millionen Einwohner Armeniens und die auf zehn Millionen geschätzte armenische Exilgemeinde - vor allem in den USA und in Frankreich - miteinander verbindet.

Armenien, ohne Zugang zum Meer, erdbebengefährdet, im Dauerstreit mit den Nachbarn, setzt militärisch auf Russland - und moralisch nun auch auf den Papst. In drei Wochen besucht Franziskus das Land, und gespannt sind die Armenier, was er am Mahnmal Zizernakaberd zum Völkermord zu sagen hat.

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