Arizona: Verteidigerin des Attentäters:Kampf gegen die Todesstrafe
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Ob "Unabomber" oder 9/11-Helfer: Judy Clarke hat schon viele verhasste Figuren verteidigt. Jetzt vertritt sie Jared Lee Loughner vor Gericht, der der Politikerin Gabrielle Giffords in den Kopf schoss.
Warum sie es schon wieder tut, mag Judy Clarke nicht erklären. Diese unscheinbare Frau hasst den Medienrummel, der nun über sie hereinbricht. Also redet die Anwältin nicht mit den Journalisten, die sie bei Gericht belagern. Gerade hat sie Jared Lee Loughner als Mandanten übernommen, den sechsfachen Mörder von Tucson, wieder so einen hoffnungslosen Fall.
Judy Clarke verhält sich wie immer. Fast mütterlich umsorgte die hartgesottene Strafverteidigerin Jared Loughner bei dessen erstem Gerichtstermin. Die 58-Jährige strich dem Mann, der am Samstag sechs Menschen getötet und 14 weitere niedergestreckt hatte, behutsam über den Rücken und klopfte ihm vor dem Abgang zurück in die Zelle aufmunternd auf die Schulter. Freunde von Clarke erkennen darin eine bewährte Taktik im Umgang mit einem Angeklagten, auf den entweder der Tod oder bestenfalls lebenslange Haft wartet: "Sie muss ihren Klienten überzeugen, dass es sich lohnt, den Rest seines Lebens in einem Käfig mit Stahlgittern zu verbringen", erklärt ihr Kollege David Bruck, der vor 15 Jahren mit ihr eine doppelte Kindesmörderin vor der Exekution bewahrte.
Es sind vermeintliche Teufel, derer sich diese Judy Clarke wie ein Engel vor Gericht annimmt. Zum Beispiel Ted Kaczynski, der als "Unabomber" von 1978 bis 1995 Briefbomben verschickte, drei Menschen tötete und sein Treiben mit einem verquasten Manifest über die Macht rechtfertigte. Ebenso stand sie Eric Rudolph bei, der 1996 den Bombenanschlag auf die Olympischen Spiele in Atlanta verübt hatte. Zuletzt verteidigte sie Zacarias Moussaoui, den sogenannten 20. Attentäter vom 11. September 2001. Ruhig, mit raffinierter Rechtskenntnis und in Beherrschung aller Verfahrenstricks hat Clarke alle drei Mandanten vor der Giftspritze bewahrt. Alle drei sitzen nun in demselben Hochsicherheitsgefängnis in Colorado ein. Lebenslang.
Angetrieben, so erklären ihre Freunde, werde Judy Clarke von der tiefen Überzeugung, dass die Todesstrafe unrecht sei. "Sie hat ein gutes Herz, und sie ist eine überragende Anwältin", lobt Jack King vom US-Verband der Strafverteidiger. Es gebe vielleicht "eine Handvoll Juristen in diesem Land", die den Täter von Tucson vertreten könnten, glaubt King: "Sie ist die beste." Zwei Elemente von Clarkes Taktik zeichnen sich ab. Sie wird argumentieren, dass Jared Loughner verwirrt und nicht voll zurechnungsfähig sei. Und sie will mit aller Rechtsmacht verhindern, dass irgendein Bundesrichter oder Staatsanwalt aus Arizona den Fall in die Finger kriegt - denn die waren alle mit Richter John Roll befreundet gewesen, einem der sechs Opfer.
30 Jahre lang arbeitet Judy Clarke bereits als Strafverteidigerin. Aufgewachsen ist sie in North Carolina in einem stramm republikanischen Elternhaus, das ihr "unabhängiges Denken" gelehrt habe. Inzwischen lebt sie in San Diego, wo sie mit ihrem Mann eine lukrative Anwaltspraxis betreibt. Ihre Mandanten jedoch verteidigt sie nicht wegen des Geldes. Einmal hat sie ihr vom Staat überwiesenes Pflichthonorar von 83.000 Dollar sogar gespendet - an eine Stiftung, die sich der Verteidigung mittelloser Angeklagter widmet.