Seinen berühmten Optimismus hat Mauricio Macri noch nicht verloren. "Die Argentinier können ihre Freude nicht verbergen, über das, was hier geschieht", sagte der argentinische Präsident neulich der Zeitung Clarín. Hingegen sagte er nicht, von welchem Argentinien er da sprach. Jenes Land, das Macri seit einem Jahr regiert, kann er kaum gemeint haben. Dort gehen mehr und mehr Leute auf die Straße, weil sie ihre Ernüchterung nicht verbergen können. Von der Aufbruchsstimmung nach dem Ende der zwölfjährigen Herrschaft des Kirchner-Clans ist nicht mehr viel übrig. Jetzt herrscht der Macri-Clan. Und die meisten Argentinier merken, dass es ihnen damit nicht besser geht, im Gegenteil.
Zwar hat der neue liberal-konservative Präsident den scheinbar ewigen Schuldenstreit mit amerikanischen Hedgefonds beigelegt und seinem Land damit wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten verschafft. Mit seinem Reformprogramm hat er bislang aber weder die Rezession noch die Inflation stoppen können. Seit Macris Amtsantritt gingen mehr als 100 000 Jobs verloren, etwa eine Million Menschen sind unter die Armutsgrenze gerutscht. Durch die Freigabe des Devisenmarktes und die Abwertung des Peso, aber auch durch die drastische Erhöhung der Strom-, Gas-, und Wasserpreise ist das Leben für einen großen Teil der Bevölkerung nahezu unerschwinglich geworden. Das Abgeordnetenhaus, das von der peronistischen Opposition dominiert wird, stimmte zuletzt mit großer Mehrheit für die Ausrufung des sozialen Notstandes. Viele Argentinier können auch ihren Unmut über das demonstrative Dauerlächeln des Präsidenten nicht verbergen.
Mauricio Macri, 57, hatte nach seinem Wahlsieg verkündet, mit ihm sei das wirtschaftlich lange Zeit isolierte Argentinien in die Welt zurückgekehrt. Davon, dass es offenbar auch in der Welt der Steueroasen zu Hause ist, hatte er nichts erwähnt. Vielleicht auch, weil das Volk gerade andere Sorgen hat, kam der Unternehmer und Multimillionär Macri bislang glimpflich mit seiner Rolle in den Panama Papers davon. Bislang. Macri war einer jener 13 Staats- und Regierungschefs, deren Namen sich in jenem Datenberg aus dem Inneren eines panamaischen Offshore-Dienstleisters fanden, der im April weltweit Schlagzeilen machte. Macri wird in den Unterlagen als Direktor einer Firma auf den Bahamas genannt, gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Mariano. Als Macri 2007 Bürgermeister von Buenos Aires wurde, musste er seine wirtschaftlichen Aktivitäten offenlegen. Seinen Bahamas-Posten nannte er nicht. Ein Sprecher teilte später mit, Macri habe die Firma nicht gelistet, weil er keine Kapitalbeteiligung an der Firma gehabt habe. Die Staatsanwaltschaft in Buenos Aires ermittelt.
Das Imperium des Macri-Clans florierte gerade auch zu Zeiten der Militärdiktatur
Nun, ein Dreivierteljahr nach der Veröffentlichung der Panama Papers gerät die Macri-Familie erneut ins Visier von Fahndern. Wieder geht es um Offshore-Firmen. Wie die Zeitung La Nacion berichtete, haben deutsche Fahnder sich über Interpol an ihre argentinischen Kollegen gewandt. Es soll um elf Firmen sowie 69 Personen gegangen sein, die der Geldwäsche oder Steuerhinterziehung verdächtigt werden. Darunter laut La Nacion: Gianfranco und Mariano Macri, die Brüder des Präsidenten. Die Staatsanwaltschaft Hamburg betonte dazu auf Anfrage, dass die Macri-Brüder nicht als "Beschuldigte" geführt würden. Dies schließe aber nicht aus, dass "sie in einer der hier in großer Zahl vorliegenden Geldwäscheverdachtsmeldungen verschiedener Geldinstitute erwähnt werden".
Der Fall liegt in Buenos Aires nun bei demselben Richter, der schon die Vorwürfe gegen den Präsidenten vom April auf dem Schreibtisch hat. Mehr und mehr Puzzlestücke lassen das Bild einer Clanwirtschaft erkennen, die im großen Stil auf die Dienste von Offshore-Firmen setzte. Ein Oppositionsabgeordneter hatte zuletzt eine Klage wegen Steuerflucht und Geldwäsche ausgeweitet. Demnach existieren oder existierten mindestens 30 Offshore-Firmen, die mit der Familie von Macri verbunden sind oder waren. Mal die Brüder, mal die Cousins. Auch die Namen von engen Freunden und Vertrauten tauchen in den Panama Papers im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen auf.
Für Macri ist das auch deshalb heikel, weil seine gesamte Karriere auf dem Erbe seiner Familie fußt. Als Vatersöhnchen verspotten ihn seine Gegner. Papa Franco Macri kam Ende der Vierzigerjahre aus Italien nach Argentinien und schuf eines der größten Wirtschaftsimperien des Landes. Die "Grupo Macri", ein Konglomerat aus Baufirmen und Industriezulieferern, prosperierte gerade auch zu Zeiten der Militärdiktatur. Mauricio Macri diente sich in den väterlichen Betrieben vom Ingenieur bis zum Unternehmensleiter hoch. Seine Verteidigungsstrategie in Sachen Panama Papers, wonach er eher unwissentlich als Direktor einer Briefkastenfirma auf den Bahamas eingetragen gewesen sei, hat seine politischen Gegner noch nie überzeugt. Angesichts der neuen Ermittlungen wird interessant, ob Macri die Gerichte überzeugen kann.