Architektur:Belle Epoque der Sommerfrische

Schlösser, Villen, Badehäuser: Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte die Wiener Gesellschaft den Wörthersee. Baumeister aus Wien errichteten für sie Domizile, die noch heute sehenswert sind.

Von Ingrid Brunner

Wer in der Sauna von Werzers's Badehaus in Pörtschach schwitzt, mit Blick auf den Wörthersee, pflegt nicht nur Geist und Körper, sondern auch die dort ansässige Badekultur. Seit der Eröffnung der k. u. k. Südbahn im Jahr 1864, deren Hauptstrecke von Wien bis nach Triest führte, zog es die bessere Gesellschaft Wiens an den Wörthersee. Dort, an der "Kärntner Adria", wie man den See heute noch gerne nennt, fand die vornehme Klientel indes keine standesgemäßen Logiermöglichkeiten vor. Auch das architektonische Know-how fehlte, um adäquate Residenzen und eine gastronomische Infrastruktur für eine schöne Sommerfrische zu bauen. So verpflichtete man kurzerhand mehrheitlich Wiener Architekten, die für Adel, Honoratioren, reiche Fabrikanten und Händler an den Uferhängen und direkt am Wasser Prachtbauten errichteten. Einer der bedeutendsten Baumeister war der Wiener Architekt Franz Baumgartner. Er gilt als Begründer der sogenannten Wörthersee-Architektur, deren Bauten zwischen 1864 und 1938 am Nord- und Südufer sowie in Velden, Pörtschach, Krumpendorf und in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt aus dem Boden wuchsen und noch heute das Landschaftsbild prägen. Mit dem "Anschluss Österreichs" endete diese Epoche jäh.

Franz Baumgartner, Josef Viktor Fuchs, der Architekt von Werzer's Badehaus, und weitere Baumeister konnten sich vor Aufträgen kaum retten. Sie bauten am laufenden Band: An die hundert Villen, Schlössl und Residenzen, Badeanstalten, Bootshäuser, Hotels, Seerestaurants mit Bootsanlegern, aber auch das Stadtheater Klagenfurt und Nutzbauten wie die dortige Straßenbahn, die Militärschwimmschule oder den Bahnhof. Sogar das Forstsee-Kraftwerk zwischen Velden am Wörthersee und Pörtschach wurde im Villenstil mit Türmchen, Erkern Dachgiebeln errichtet.

Architektur: Das 2013 restaurierte Werzer's in Pörtschach ist das letzte hölzerne Badehaus im Stil der Wörthersee-Architektur.

Das 2013 restaurierte Werzer's in Pörtschach ist das letzte hölzerne Badehaus im Stil der Wörthersee-Architektur.

(Foto: Werzer)

Oder sollte man besser von Stilen statt von Stil sprechen? Denn erlaubt war alles, was den Auftraggebern gefiel. Der im 19. Jahrhundert in der Architektur verbreitete Historismus erlaubte Rückgriffe auf die Spätromantik, auf die italienische oder die deutsche Renaissance, gerne kombiniert mit einem bunten Strauß von Elementen aus dem englischen Landhausstil, der Gründerzeit, der National- oder Regionalromantik, dem Jugendstil, oder dem Mittelmeerhaus. So entstand eine recht vielgestaltige Ansammlung an Bauten.

Genau diese Vielgestaltigkeit war Baumgartners Spezialität. Er erlangte gerade dafür Berühmtheit, in einem Bau Jugendstil mit Romantik, Fachwerk mit Barock und Fensterläden zu verschränken. Als Paradebeispiel dafür gilt das Hotel Kointsch auf dem Karawankenplatz im Ortszentrum von Velden. War Baumgartner nun ein früher Liberace der Architektur? Mitnichten, zumindest nicht im Urteil des österreichischen Architekten, Architekturkritikers und Lyrikers Friedrich Achleitner, der die Wörthersee-Architektur erforscht und beschrieben hat. Er würdigt Baumgartner vielmehr als Begründer eines eigenständigen Architekturstils - eben des Wörthersee-Stils. Nach seinen Worten ist das Hotel Kointsch "eine prototypische Arbeit", in der er sein architektonisches Vokabular in einem Objekt bündele, Achleitner zufolge der Schlüsselbau für die charakteristische Wörthersee-Architektur: "Hier sind bereits alle Motive vorhanden, die Baumgartner später in so reicher und vielfältiger Form variiert hat."

Wörthersee Architektur und Badehaus

Ende des 19. Jahrhunderts badete man noch streng nach Geschlechtern getrennt und in geräumigen Schwimmanzügen.

(Foto: Franz Fartek/oh)

Eine Einschätzung, die der Klagenfurter Architekt Heimo Kramer teilt. Er schreibt an einem Buch über die Wörthersee-Architektur. Auf seiner Webseite www.woerthersee-architektur.at hat er eine Fülle an Material und historischen Fotografien zusammengetragen. Für ihn ist das Bemerkenswerte, dass die Bauten zu einer Zeit entstanden sind, als der Wörthersee noch unentdeckt war - und dass entsprechend großzügig gebaut wurde. "Eine Villa pro Grundstück, das ist aus heutiger Sicht echter Luxus." Doch gerade die Parks und Gärten um die Villen herum machten ihren Reiz aus. Besonders schön lässt sich das vom Wasser aus sehen, mit dem Linienschiff und der Landkarte "Wörthersee Architektur - Historisch & Modern", die in den Tourismusämtern und -geschäftsstellen rund um den Wörthersee erhältlich ist.

Vom Wasser sieht man ein besonders schönes Beispiel für die Wörthersee-Architektur: das Villenensemble in der Ostbucht von Pörtschach. Dort stehen, versteckt zwischen alten Bäumen, die Villa Wörth mit ihren Loggien, Terrassen und Giebeln im Stil der deutschen Renaissance, daneben die Villa Seehort im Gründerzeitstil mit filigranem Bootshäuschen, die Villa Miralago ein Repräsentativbau mit aufwendiger Außentreppe zum See sowie die Villa Seefried, eine Gründerzeitvilla. Alle entstanden zwischen 1891 und 1894. Pörtschach schickte sich damals an, der mondänste Badeort Österreichs zu werden. Die Blütezeit des Wörthersee-Tourismus brach an, nicht zuletzt befeuert durch die Rivalität zweier ehrgeiziger Geschäftsmänner: des ortsansässigen Unternehmers Georg Semmelrock-Werzer und des Wiener Porzellanfabrikanten Ernst Wahliss. Letzterer hat sich um die Anfänge des Tourismus in Pörtschach und Velden verdient gemacht. Er kaufte ein weitläufiges am Gelände errichtete darauf ein Dutzend Sommervillen.

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Wahliss war es auch, der das 1603 fertiggestellte und durch einen Brand 1762 fast völlig zerstörte Schloss zu Velden aufkaufte. Der wohlhabende und einflussreiche Bauherr Bartholomäus Khevenhüller hatte es seinerzeit "zur Kurzweil und fürs Alter" errichten lassen. Seit einer Großrenovierung und dem Anbau eines modernen Suiten-und-Spa-Bereichs im Jahr 2012 ist das Schlosshotel es ein Fünf-Sterne-Haus - und Beleg dafür, dass auch moderne Architektur am Wörthersee sehenswert ist.

Darauf legt auch Heimo Kramer, dessen Idee die Architektur-Landkarte war, Wert. Einen Ausflug lohnt etwa der Aussichtsturm auf dem Pyramidenkogel, dem Ausflugsberg auf dem Südufer des Wörthersees. Der Turm ist eine futuristisch anmutende Holz-Stahl-Konstruktion, die sich in Ellipsen kühn 100 Meter in die Höhe schraubt. Auf 72 Metern Höhe ist eine von drei Aussichtsplattformen. Ein Restaurant befindet sich im Erdgeschoss. Der Clou dürfte die höchste Gebäuderutsche Europas sein, mit 52 Metern Höhe. Etwa eine halbe Minute dauert die rasante Abfahrt - bei einer Kurvenneigung von 25 Grad.

Informationen

Die Linienschiffe der Wörtherseeschifffahrt verkehren seit Ende März bis 26.10. täglich. Eine Rundfahrt dauert dreieinhalb Stunden (www.wortherseeschifffahrt.at). Die Nostalgieschifffahrt Wörthersee fährt zwischen 6. Juli und 31. August jeden Mittwoch ab Klagenfurt-See Lidobrücke. Mit den Oldtimerschiffen Loretto und Lorelei aus dem Jahr 1924 erkunden die Gäste dann jeweils eine Besonderheit des Wörthersees. Darunter sind auch an vier Terminen "ArchitekTouren" (www.nostalgiebahn.at/). Allgemeine Auskünfte: www.woerthersee.com.

Beschaulicher geht es da ohne Zweifel in Werzer's Badehaus zu. Es ist die einzige historische Badeanstalt, die erhalten geblieben ist. Seit seiner Renovierung im Jahr 2013 steht die denkmalgeschützte Holzkonstruktion aus dem Jahr 1895 auf 350 neuen hölzernen Pylonen und bietet überdies Komfort, der seinerzeit schlicht undenkbar war. Badete man damals noch streng nach Geschlechtern getrennt, in geräumigen Schwimmanzügen, und nur während der Sommermonate, ist das Werzer's nun das ganze Jahr geöffnet - ein beheizter Pool, der im See schwimmt, erlaubt den Gästen die Illusion, auch im Winter im See zu baden. Auch wenn die Moderne Einzug gehalten hat, verströmt der weiß gestrichene Holzbau Nostalgie und Romantik, auch Trauzeremonien werden auf der Terrasse abgehalten. Die Honeymoon Suite im Dachgiebel über der Seesauna ist gut gebucht.

Galanterie und Gefühlsaufwallungen gab es freilich auch schon in der Belle Epoque der Sommerfrische: Die prächtig dekorierte Villa Helene am Seecorso in Velden ließ der österreichische Kaiser Franz Joseph angeblich für seine Geliebte Katharina Schratt bauen. Deshalb, oder aber wegen seiner gelben Fassade, hieß die Villa auch "Schönbrunn am See". Wie dem auch sei: Es war immer nur eine Sommerliebe. Denn all die herrlichen Residenzen hatten keine Heizung.

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