Manchmal sind es die kleinen Gesten, die zählen. Neulich, als der neue britische Brexit-Unterhändler Dominic Raab in Brüssel war, sprach sein Counterpart aus der EU-Kommission, Michel Barnier, Englisch. Lange und am Stück. Auch während der gemeinsamen Pressekonferenz trug der Franzose seine ausführliche Lagebeschreibung vollständig auf Englisch vor. Erst die Fragen beantwortete Barnier dann wieder in seiner Muttersprache.
Es gehörte zu den vielen kleinen Härten, die Briten in den vergangenen Monaten in Brüssel erdulden mussten, dass ihr wichtigster Ansprechpartner zumindest zu Beginn der Verhandlungen weder besonders gern, noch besonders gut Englisch gesprochen hat. Englische Muttersprachler waren in Brüssel lange im Vorteil gewesen, doch mit Absicht oder nicht: Barnier personifizierte zu Beginn der Brexit-Verhandlungen das Gefühl, dass es mit der Vorherrschaft der Weltsprache Englisch in der EU zu Ende gehen könnte.
Schon seit geraumer Zeit dominiert das Englische in den EU-Institutionen
Unter den vielen Befürchtungen, die sich mit dem Austritt Großbritanniens verbanden, ist das freilich eine der wenigen, die sich als unbegründet erwiesen haben. Englisch bleibt, wie eine Sprecherin der EU-Kommission gerade noch einmal bestätigte, eine wichtige Arbeitssprache der EU. Rechtlich geht das, weil auch nach dem Austritt Großbritanniens Englisch eine der 24 Amtssprachen der EU bleibt - dank Irlands und Maltas. In beiden EU-Staaten ist Englisch eine der Amtssprachen. Mindestens ebenso wichtig ist die normative Kraft des Faktischen. Schon seit geraumer Zeit dominiert das Englische die Kommunikation in den EU-Institutionen.
Das ist insbesondere für Frankreich eine Quelle des Frusts. Jüngst verließ der französische EU-Botschafter wutentbrannt eine Arbeitssitzung des Rates zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU, weil nur Englisch gesprochen wurde und keine französische Übersetzung vorgesehen war. Üblicherweise wird bei solchen Sitzungen sowohl Englisch als auch Französisch gesprochen - immer wieder der Einfachheit halber aber auch nur Englisch. Anders als früher tummeln sich in Brüssel mittlerweile viele Diplomaten aus den EU-Staaten, die nicht oder nur schlecht Französisch sprechen. Vor allem mit der großen EU-Osterweiterung 2004 hat das Französische viel von seiner Bedeutung in den EU-Institutionen eingebüßt.
Englisch wird zur neutralen EU-Sprache ohne Heimvorteil
Diese Entwicklung würden die französischen Politiker nach dem Brexit gerne eindämmen. Englisch könne keine Arbeitssprache des EU-Parlaments bleiben, hatte etwa der Linkssozialist Jean-Luc Mélenchon verlangt. Von Seiten der französischen Regierung gebe es aber keine Initiative, das Englische als eine der drei Arbeitssprachen der EU-Kommission neben dem Französischen und Deutschen abzuschaffen, betonte eine Sprecherin. Traditionell wachen in Brüssel jedoch nicht nur Beamte, sondern auch französische Journalisten darüber, dass ihre Sprache nicht zu kurz kommt. Bei den täglichen Pressebriefings sind Sprecher der EU-Kommission angehalten, unablässig zwischen Englisch und Französisch zu wechseln. Nachdem die Kommission die anhaltende Rolle des Englischen bestätigt hatte, wollte der Libération-Korrespondent Jean Quatremer auf Twitter wissen, wie es sein könne, dass mit einer "Minderheitensprache" künftig die Geschicke der EU gelenkt würden.
Die meisten im Brüsseler Betrieb sehen das eher pragmatisch. Zwar werden die 4,5 Millionen Iren nach dem Brexit als englische Muttersprachler nur eine kleine Minderheit stellen - gerade mal ein Prozent der EU-Bevölkerung. Doch das kann auch Vorteile haben. Englisch wird zur neutralen EU-Sprache ohne Heimvorteil für Muttersprachler. Mit dem Englisch, wie es in Großbritannien gesprochen wird, dürfte es dann aber mit der Zeit noch weniger zu tun haben als ohnehin schon. Vielleicht nicht ohne Hintergedanken zitierte der britische Telegraph ausgerechnet den für seinen harten deutschen Akzent bekannten EU-Kommissar Günther Oettinger mit den Worten: "Englisch ist die Weltsprache, die wir alle akzeptieren."