Süddeutsche Zeitung

Arbeitsministerium:Dramatische Prognose für die Rente

Steigende Beiträge, stark sinkendes Rentenniveau - die Generation der heute 30-Jährigen muss sich auf Einschnitte einstellen. Und wer derzeit unter 1500 Euro brutto verdient, dem droht sogar die Altersarmut.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Das Rentenniveau in Deutschland wird nach 2030 deutlich zurückgehen, wenn die Politik keine Gegenmaßnahmen ergreift. Am Mittwoch legte das Bundesarbeitsministerium darüber erstmals langfristige Berechnungen vor. Danach sinkt das Rentenniveau - also das Verhältnis der Rente nach 45 Jahren Arbeit zum Durchschnittslohn - bis 2045 von derzeit knapp 48 auf 41,6 Prozent. Zugleich wird der Beitrag für die Rentenversicherung im Jahr 2031 die Marke von 22 Prozent überschreiten. Zurzeit liegt er bei 18,7 Prozent.

Heute kommt ein Standardrentner, der 45 Jahre stets zum jeweiligen Durchschnittslohn (im Westen derzeit 3022 Euro im Monat) gearbeitet hat, auf ein Altersgeld von 1370 Euro vor Abzug von Steuern. Die Bundesregierung rechnet bis 2029 mit Rentensteigerungen von jährlich zwei Prozent. Das Rentenniveau für diesen Musterrentner sinkt aber, weil die Löhne schneller steigen als die Renten.

Die neuen Zahlen dürften die Diskussion um die Rente weiter anheizen. CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatten sich bereits dafür ausgesprochen, das Rentenniveau zumindest zu stabilisieren. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) fordert neuerdings eine "Haltelinie", weil ein ungebremstes Absinken des Rentenniveaus das Vertrauen der Bürger in die gesetzliche Rentenversicherung untergraben würde. Nahles will aber erst im November sagen, auf welcher Höhe sie diese Haltelinie einziehen will. Dann legt sie ihr Gesamtkonzept für eine Reform der Altersvorsorge vor. In der Koalition ist eine Grenze von 45 Prozent im Gespräch. Nach geltendem Recht darf das Rentenniveau bis 2030 nicht unter 43 Prozent sinken. Festlegungen darüber hinaus gibt es noch nicht.

Das Rentenniveau zu stabilisieren, wäre allerdings extrem kostspielig. Friert die Bundesregierung den aktuellen Wert auf 47,5 Prozent ein, kostet dies nach Angaben des Arbeitsministeriums etwa 40 Milliarden Euro jährlich. Fällig wäre dann 2045 ein Beitrag von 26,4 Prozent, um die zusätzlichen Ausgaben finanzieren zu können. Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich den Beitrag teilen, wäre dies eine Mehrbelastung von jeweils 16 Milliarden Euro. Der Zuschuss des Bundes würde sich um acht Milliarden Euro jährlich erhöhen. Während der Sozialverband VdK ein Rentenniveau von 50 Prozent fordert, warnen die Arbeitgeberverbände bereits: Mehr als 26 Prozent Beitrag seien "eine Überforderung für Beschäftigte und Arbeitgeber". Dann wären wegen der hohen Arbeitskosten Jobs gefährdet. Der Beitrag steigt aber auch ohne Reformen: Bei unverändertem Recht klettert er nach der neuen Prognose bis 2045 auf 23,4 Prozent.

Nahles will mit ihrem Rentenkonzept auch Vorschläge für eine bessere zusätzliche Altersvorsorge machen. Dabei geht es zum Beispiel um attraktivere Betriebsrenten für Geringverdiener. Derzeit hat etwa die Hälfte der Arbeitnehmer mit einem Bruttolohn von unter 1500 Euro monatlich keine private oder betriebliche Zusatzvorsorge. Sie könnten als Rentner in die Altersarmut geraten.

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SZ vom 29.09.2016
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