Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Vollzeit, Teilzeit, Vollzeit

Die Koalition will Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht einräumen - sagt sie. Doch die Opposition glaubt nicht daran.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Union und SPD wollen noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz verabschieden, das Arbeitnehmern das Recht einräumt, aus Teilzeit wieder in eine Vollzeitstelle zurückzukehren. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Dörner wollte wissen, wann Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gedenke, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesetz auf den Weg zu bringen. Bisher ließ Nahles hier keinerlei Ambition erkennen. Geplant sei, so antwortete nun die Regierung, dass durch "Weiterentwicklung des Teilzeitrechts" ein "Anspruch auf befristete Teilzeit geschaffen" werde. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums sagte, es gebe "Vorarbeiten" eines Referentenentwurfs. "Wann wir konkrete Vorschläge machen, können wir noch nicht sagen."

Die Grünen-Abgeordnete Dörner reagierte verärgert auf die eher nichtssagende Antwort der Regierung. "Da es immer noch keinen Termin für einen Gesetzentwurf gibt, gehe ich davon aus, dass das Rückkehrrecht in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommt", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. "Das ist ärgerlich, denn das Rückkehrrecht ist extrem wichtig, um der Teilzeitfalle ein Ende zu machen und vor allem Väter zu motivieren, für die Familie beruflich kürzer zu treten."

Das Rückkehrrecht in Vollzeit soll dafür sorgen, dass Arbeitnehmer, die in Teilzeit arbeiten, etwa wegen Kindern, beizeiten auf ihre frühere Vollzeitstelle zurückkehren können. Bisher gibt es darauf keinen Anspruch. Arbeitgeber wünschen in der Regel Flexibilität bei der Personalplanung und wollen Stellen nicht über Jahre nur kommissarisch besetzen. Viele Väter zögern, in Teilzeit zu gehen, weil sie um Aufstiegschancen fürchten. Viele Mütter bleiben länger in Teilzeit, als ihnen lieb ist.

Nach einer Allensbach-Studie von 2015 würden 52 Prozent der Väter gerne die Hälfte der Kindererziehung übernehmen - nur 18 Prozent tun es. 28 Prozent der Befragten fänden es am besten, wenn beide Eltern 15 bis 34 Stunden die Woche arbeiten würden - aber nur vier Prozent realisieren es. Oft bleibt die Mutter in jahrelanger Teilzeit. Dies gilt als wichtige Ursache der Altersarmut und der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) gab mehrfach zu erkennen, dass neben ihrem umstrittenen Lohngerechtigkeitsgesetz auch das Rückkehrrecht in Vollzeit der Kollegin Nahles kommen müsse.

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SZ vom 04.08.2016
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