Arbeitsmarkt:Strenge Note

Viele Jobsuchende informieren sich auf Bewertungsportalen über Arbeitgeber. Nicht immer geht es dort seriös zu.

Von Bernd Kramer

Die Weltliteratur ist voller beeindruckender Schilderungen der Hölle. Bei Dante zum Beispiel werden die verlorenen Seelen in Exkremente getaucht, in Blut gekocht oder mit Flammen beregnet. "Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren", steht über dem Höllentor. "Dieselskandal und globale Erwärmung sind nichts gegen das, was hier abgeht." Mit diesen Worten wiederum beschreibt ein anonymer Autor auf einem Bewertungsportal das alltägliche Inferno bei einem Hebetechnik-Hersteller. Und über einen anderen unwirtlichen Ort ist zu lesen, dort herrsche "ein Betriebsklima wie in der Wüste Gobi".

Menschen benoten im Internet nicht nur Restaurants, Bücher und Hotels, sondern längst auch ihre Arbeitgeber. Dieser großzügig einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Flurfunk kann inzwischen den Ausschlag geben, ob eine Kandidatin den Arbeitsvertrag unterschreibt oder sich die Bewerbung vielleicht gleich spart: Zwölf Prozent der Menschen, die sich auf Bewertungsportalen über Arbeitgeber informieren, haben sich deswegen bereits gegen eine Stelle entschieden. Zu diesem Ergebnis kam im Frühjahr eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom. Und der Zahl derer, die Plattformen wie Glassdoor oder Kununu konsultieren, steigt.

Es verwundert somit nicht, wenn so mancher Personalverantwortlicher mit Fachkräfteproblem nun zum Gegenschlag ausholt. Laut Wall Street Journal riefen mehrere Unternehmen in der Vergangenheit ihre Belegschaften dazu auf, positive Bewertungen abzugeben, darunter der Software-Hersteller SAP und Elon Musks marsianische Kolonialgesellschaft Space-X - worauf die Ratings raketenartig in die Höhe gingen. Kürzlich trudelte bei einem großen öffentlichen Arbeitgeber in München unaufgefordert das Angebot eines gewissen Mr. Williams ein, von Beruf Reputationsmanager unklarer Provenienz: Die Nachforschungen, so Williams, hätten ergeben, dass die Organisation negative Bewertungen bei Glassdoor zu erleiden habe. Aber kein Problem, man könne diese entfernen und eine Verbesserung der Gesamtbewertung auf 4,7 oder höher garantieren. Glassdoor versichert gegenüber der SZ, man arbeite hart gegen Manipulationsversuche an, bleibt aber ansonsten im Vagen.

Vielleicht auch, weil die Bewertungsportale das Geschäftsfeld längst selbst entdeckt haben. Bei Glassdoor können zahlende Arbeitgeber zum Beispiel "gezielt eine Bewertung auswählen, die Ihre Kultur am besten widerspiegelt". Die ausgewählten Kommentare sind "die ersten, die die Kandidaten auf Ihrem Profil sehen werden". Kununu bewirbt seine kostenpflichtigen Angebote mit dem, was eine Bankvertreterin freudig herauströtet: "Innerhalb eines Jahres konnte der Kununu-Score von 3,9 auf 4,5 verbessert werden."

Die Ersten wittern einen teuflischen Pakt und kanzeln die Bewertungsportale ihrerseits auf Bewertungsportalen ab. "Sinnlos wie Fußpilz", schimpft da jemand. "Selbstbeweihräucherungstool für Arbeitgeber", ein anderer: "Meine Bewertung wurde nach kurzer Zeit wieder gelöscht." Das Loblied des Kollegen sei dagegen wie durch ein Wunder unbeanstandet geblieben.

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