Arbeitsmarkt:436 000 Flüchtlinge sind auf Hartz IV angewiesen

Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Friedland

Flüchtlinge vor dem Erstaufnahmelager in Friedland

(Foto: dpa)
  • Viele Flüchtlinge drängen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Neue Zahlen verkünden eine schlechte und eine gute Nachricht.
  • Schon 436 000 Menschen aus Fluchtländern wie Syrien sind in Deutschland auf Hartz IV angewiesen, Tendenz stark steigend.
  • Aber es wächst auch die Zahl derer, die eine Beschäftigung finden.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat beim Thema Flüchtlinge stets davor gewarnt, allzu euphorisch zu sein. Den vielen jungen Menschen einen Job zu verschaffen werde "mehrere Jahre dauern", sagte die SPD-Politikerin vergangene Woche der Süddeutschen Zeitung. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger könne sich deshalb bis 2019 um eine Million auf mehr als sieben Millionen erhöhen, weil viele der Flüchtlinge nicht sofort Arbeit finden werden und Anspruch auf die Grundsicherung haben, wenn ihr Asylantrag anerkannt ist.

Nun zeigt eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA), dass Nahles recht hat. Danach steigt die Zahl der Arbeitslosen und Hartz-IV-Bezieher unter den Menschen aus Kriegs- und Bürgerkriegsländern schon jetzt teilweise dramatisch.

Arbeitsmarkt: SZ-Grafik; Quelle: Bundesagentur für Arbeit

SZ-Grafik; Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Für die Bundesagentur sind die Zahlen keine Überraschung

Die Statistik, die die Behörde auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat, enthält eine gute und eine schlechte Nachricht: Immerhin waren im Juli 2015 unter den knapp 36 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland bereits 492 000 aus einem Asylzugangsland wie Afghanistan, Pakistan oder der Ukraine. Das sind 7,9 Prozent oder 36 000 mehr als vor einem Jahr.

Trotz rückläufiger Erwerbslosenzahlen ist jedoch die Arbeitslosigkeit unter den Menschen, die hier Schutz suchen, noch stärker gestiegen. So hat sich die Zahl der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger innerhalb eines Jahres um 20 Prozent auf gut 160 000 bis September 2015 erhöht. Noch stärker zugelegt hat die Zahl aller Hartz-IV-Empfänger aus den Asylzugangsstaaten, einschließlich von Familienangehörigen. Sie wuchs von Juni 2014 bis Juni 2015 um 83 000 oder 23,4 Prozent auf fast 436 000.

Für die Bundesagentur für Arbeit kommen diese Zahlen nicht überraschend: "Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt - auch auf Grund der Sprachbarrieren - nicht immer ohne Probleme", sagt eine Sprecherin der Behörde. Daher müsse man den Menschen die Zeit zugestehen, bis sie eine Arbeit gefunden hätten. Da aber die Hälfte der Flüchtlinge 25 Jahre oder jünger seien, hätten sie gute Chancen, den Sprung auf den Arbeitsmarkt zu schaffen, wenn sie ausreichend qualifiziert sind.

Größtes Problem: Mangelnde Sprachkenntnisse

Wer aus Afrika oder einem der arabischen Staaten als Asylsuchender anerkannt ist, hat sich dabei bislang allerdings besonders schwer getan. So ist die Zahl der Arbeitslosen aus den nicht-europäischen Asylzugangsstaaten viel stärker gewachsen als die der Jobsuchenden vom Balkan. Bei den Syrern sprang sie zum Beispiel seit September 2014 um fast 127 Prozent auf jetzt etwa 34 000. Bei Menschen aus Eritrea betrug das Plus gut 60 Prozent, bei Irakern mehr als 17 Prozent (siehe Grafik).

Entsprechend stark fällt auch der Anstieg der Hartz-IV-Leistungen aus. Nach Angaben der Bundesagentur erhalten derzeit zum Beispiel 93 000 Syrer (einschließlich Kinder) die Grundsicherung.

Manche Flüchtlinge kennen die lateinische Schrift nicht

Das sind fast 52 000 oder 125 Prozent mehr als vor einem Jahr. In absoluten Zahlen ist der Anstieg noch nicht groß. Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), merkt jedoch an, dass von allen in Deutschland lebenden Syrern mehr als die Hälfte auf Sozialleistungen angewiesen sei. Bei Afghanen oder etwa Irakern sei dies kaum besser. Nicht nur das fehlende Deutsch sei ein Problem.

Auch die lateinische Schrift kenne ein Teil dieser Flüchtlinge nicht. Manche seien auch gesundheitlich eingeschränkt und wegen der Kriegserfahrungen seelisch belastet. "All dies erschwert den Sprung auf den Arbeitsmarkt, selbst bei niedrig bezahlten Jobs wie in der Pflege oder Reinigungsbranche", sagt Brenke.

Er schlägt daher vor, denjenigen mit hohen Anerkennungschancen im Asylverfahren gleich einen Sprachkurs anzubieten. Brenke hofft, dass die Probleme mit besseren Deutschkenntnissen abnehmen. Er warnt aber auch: "Bei anhaltender Nicht-Beschäftigung besteht die Gefahr, dass die Betroffenen die Fähigkeit verlieren, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren."

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