Arbeitsmarkt:Gehälter steigen deutlich

  • Die Löhne in Deutschland steigen deutlich. Das gilt im Besonderen für Tarifgehälter. Sie steigen im Schnitt um 2,8 Prozent.
  • Trotzdem sind immer weniger Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert.
  • Verantwortlich für die Lohnzuwächse sind unter anderem Tarifabschlüsse in der Metall-und Elektroindustrie, in der Chemiebranche und im Dienstleistungsgewerbe.
  • Vor allem im Metallgewerbe fürchten Unternehmer, durch die Lasten des Tarifabschlusses überfordert zu werden.

Von Detlef Esslinger

Die Tarifgehälter in Deutschland sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Das ergibt sich aus einer Zwischenbilanz der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung, die sie am Donnerstag veröffentlichte. Im Schnitt dürften die Tarifgehälter dieses Jahr um 2,9 Prozent steigen. Zieht man die zu erwartende Inflationsrate ab, dürfte das Plus real immer noch gut zwei Prozent betragen.

In Deutschland gab es im Frühjahr drei große Tarifrunden, die insgesamt mehr als fünf Millionen Arbeitnehmer betrafen. In der Metall- und Elektroindustrie setzte die IG Metall eine Tariferhöhung von 3,4 Prozent sowie eine einmalige Zahlung in Höhe von 150 Euro durch. In der Chemieindustrie erreichte die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) ein Plus von 2,8 Prozent, während Verdi für die Beschäftigten der Länder 2,1 Prozent mehr Geld erkämpfte.

Wer nach Tarif bezahlt wird, profitiert stärker vom Lohnzuwachs

Die Gewerkschaften werten dies als Erfolg. "Damit leistet die tarifliche Lohnentwicklung einen wichtigen Schritt zur Binnennachfrage, die in diesem Jahr das Wirtschaftswachstum in Deutschland wesentlich trägt", sagte der Tarifforscher der Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck. Indem er von der "tariflichen Lohnentwicklung" sprach, machte er zugleich deutlich, worauf es Gewerkschaften immer ankommt: zu betonen, dass Tariflöhne grundsätzlich höher sind und stärker steigen als Löhne in Firmen, die nicht nach Tarif zahlen.

In der Tat lässt sich auch aus den Zahlen des Statistischen Bundesamts ableiten, dass die Löhne in der gesamten Wirtschaft auch in diesem Jahr wohl nicht so stark steigen werden wie die Tariflöhne: Im ersten Quartal betrug ihr Plus 2,5 Prozent. Damit läge es um 0,4 Prozentpunkte unter dem tariflichen Zuwachs.

Arbeitgeber fürchten, überfordert zu werden

Allerdings gibt es zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften unterschiedliche Einschätzungen, wie die Steigerungen zu bewerten sind. Die Erfolgsmeldungen der Gewerkschaften gehen einher mit Befürchtungen vieler Arbeitgeber, überfordert zu werden. Besonders in der Metallindustrie hadern nach wie vor viele Betriebe mit den 3,4 Prozent, die ihnen die IG Metall abnötigte.

Die Tarifrunde dort trug viele Züge eines Machtkampfs. Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler räumte dies erst vor wenigen Tagen ein. Auf die Frage der Hauszeitschrift der Arbeitgeber, ob der Abschluss nicht viele Unternehmen in die Tarifflucht treibe, nannte Wechsler als wichtigsten Vorteil des Abschlusses: "Zeit- und kostenträchtige Arbeitskampfmaßnahmen zulasten der Unternehmen wurden vermieden."

Tarifflucht ist ein Massenphänomen

In Westdeutschland werden noch etwa 60 Prozent der Beschäftigten nach Tarif bezahlt; Tarifflucht ist ein Massenphänomen: Zur Jahrtausendwende arbeiteten noch 70 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Firmen. Im Osten gelten Tarifverträge nicht einmal mehr für jeden zweiten Beschäftigten.

Nur der Staat bezahlt sämtliche Arbeitnehmer nach Tarif, dafür jedoch liegen Gehälter und Steigerungen unterhalb des Niveaus in der Wirtschaft. Es laufen noch viele Tarifverhandlungen für die drei Millionen Arbeitnehmer im Einzelhandel. Sie werden in jedem Bundesland separat geführt. Verdi verlangt meistens 5,5 Prozent mehr Geld.

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