Der Garten Eden. Klingt nach saftigen Wiesen, Weiden, Wäldern und einer Million Früchten. Doch hier, im Garten der arabischen Welt, gibt es nur Hitze, Wüste, Sand und gefühlt eine Million blitzblanker Hochhäuser, die in den Himmel schießen. Katar, Kuwait, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate - das Göttliche ist hier nicht die Fruchtbarkeit. Es ist über Jahrzehnte das schwarze Gold gewesen. Erdöl hat hier einen Reichtum geschaffen, der auf viele nur noch obszön wirkt.
Doch wer glaubt, die derart Beschenkten wären glücklich mit ihren Geldbergen, wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Heftiger Streit herrscht zwischen denen, die sich arabische Brüder nennen und doch feindlich belauern. Vier Wochen schon dominiert der Konflikt die Golfregion; so lange ist es her, dass Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten die Grenzen zu Katar geschlossen und die Beziehungen zum Nachbarn abgebrochen haben.
Sie fordern, Katar müsse alle Hilfen für Extremisten und Terroristen beenden; müsse Vertreter solcher Organisationen ins Gefängnis werfen und aufhören, über Medien und Stiftungen Zwietracht in die Nachbarländer zu tragen. 13 Punkte sind es, plus Ultimatum, das bis Dienstag um Mitternacht verlängert wurde.
Es gehe am Golf nicht um "Hinterhofprobleme", sagt Sigmar Gabriel
Das klingt nicht gut. Deshalb ist Sigmar Gabriel in die Hitze am Golf gereist, um zu warnen. Nein, hier gehe es nicht um "Hinterhofprobleme" der Beteiligten, sondern um eine Krise, die viel weiter ausstrahle. Um das auch persönlich anzubringen, fliegt er ins weit entfernte Dschidda und lässt sich vom saudischen Außenminister durch die Straßen der Stadt chauffieren; düst am Tag drauf in rasender Kolonne zur Sommerresidenz des katarischen Emirs und quält sich zum Finale auch noch in den 50-Grad-Glutofen Kuwait, um mit dem dortigen Emir zu reden. "Wir kommen nicht als Vermittler", betont Gabriel. Und tut danach das, was jeder Vermittler tun würde: Er erklärt, besänftigt, mahnt und übermittelt die Sicht der anderen Seite. Irgendwie Brücken bauen, darum geht es.
Zwei Sorgen treiben ihn in die Wüste: dass der Golfkooperationsrat auseinanderbricht und dass am Ende deutsche und europäische Unternehmer die Leidtragenden der Krise sein könnten. Unter westlichen Diplomaten wird schon gefrotzelt, dass die Iraner "sich ins Fäustchen lachen, weil sich die Araber gerade zerlegen".
Andere befürchten noch viel mehr, dass die Hardliner um US-Präsident Donald Trump triumphieren könnten, weil sie womöglich einen anderen Plan gut fänden: erst an alle Streithähne Waffen verkaufen und danach zusehen, wie sie sich bekriegen - zum Nutzen der Ölindustrie in den Vereinigten Staaten.
Saudischer Außenminister versucht zu beschwichtigen
Nun greifen derlei giftige Spekulationen analytisch ziemlich kurz, weil die Amerikaner ausgerechnet in Katar einen zentralen Militärstützpunkt unterhalten. Doch in der Hitze des Golfes blühen sie trotzdem. Deshalb tut Gabriel alles, um eine beruhigende Wirkung zu entfalten. Und er kann am Dienstag immerhin eine kleine Hoffnung verbreiten. Die Gefahr sei zwar nicht gebannt, dass sich alles noch mal hochschaukelt. Aber: "Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass positive Signale zu einer gewissen Beruhigung beitragen könnten."
Unberechtigt ist das nicht. Insbesondere in Dschidda trifft er den saudischen Außenminister Adel al-Jubeir, der vieles versucht, um sein Land nicht als das der Hardliner erscheinen zu lassen. Die Saudis um den neuen Kronprinzen unternähmen mittlerweile vieles gegen Terrorfinanziers aus dem eigenen Land, sagt sogar der deutsche Außenminister.
Und sie stünden am Anfang eines riesigen Reformprozesses, den Gabriel wahlweise als "interessant", "beeindruckend" und "sehr ambitioniert" bezeichnet. Mit ihm dürften sie nicht nur zu Hause viele Prinzen provozieren, sondern auch für die Nachbarn zu neuen, weil moderneren Konkurrenten werden. Niemand hier spricht das offen aus, aber wachsender Wettbewerb schwingt eben auch mit bei dieser Krise. Zumal Katar unter sehr Reichen der Superreiche ist; das Pro-Kopf-Einkommen liegt hier dreimal so hoch wie in Saudi-Arabien.
Hoffnung, aber noch lange keine Lösung
Gabriels Reise ist denn auch eine diffizile. Wahrscheinlich erklärt er deshalb sehr deutlich, dass Berlin "auf keiner Seite" stehe. Berlin möchte es sich halt mit niemandem verscherzen. Wie wichtig diese Art der "solidarischen Neutralität" ist, haben Gabriels Leute ihm zuvor geschildert. Als in Saudi-Arabien nach Ausbruch der Katar-Krise Gerüchte aufkamen, Deutschland stelle sich an die Seite Dohas, drohte eine unangenehme Zeit anzubrechen. Dass der saudische Außenminister dem während Gabriels Visite mit Verve entgegentritt, zeigt nur, wie sehr sich dieser Eindruck in seinem Land festgesetzt hat.
Ob die neue Freundlichkeit der Saudis schon Basis ist, um die große Krise zu lösen, vermag während Gabriels Visite niemand zu sagen. Die Hoffnung ist da, aber auch die Erkenntnis, dass "es jetzt um die allererste Verständigung geht, damit später Verhandlungen beginnen können", wie Gabriel es ausdrückt. Zu verhärtet sind die Fronten, zu groß ist der Ärger auf die Katarer, die mit ihren Milliarden eben nicht nur Gutes tun oder teure Autos kaufen, sondern auch Hamas-Führer beherbergen und in quasi allen aktuellen Kriegen des Nahen Ostens Extremisten finanzieren. Ein saudischer Diplomat sagte es zuletzt in deutlichen Worten: "Die haben zu viel Geld und machen zu blöde Sachen. Das können wir nicht mehr zulassen."
Und so klingt Gabriel dieses Mal, wie Frank-Walter Steinmeier klingen würde: Es gibt Hoffnung, aber noch lange keine Lösung. Helfen soll nun eine Idee, die US-Außenminister Rex Tillerson entworfen und Gabriel mit im Gepäck hat: dass internationale Finanzinstitutionen künftig umstrittene Zahlungen aller Staaten am Golf überprüfen. Der Plan richtet sich also an alle: Hört auf, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Klingt einfach und ist doch so schwer.