Arabische Welt im Umbruch:Schlechter Autokrat, guter Autokrat

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Kritik an Libyen, Diplomatie bei Bahrain - Obama hat ein Problem: Wenn er Despoten stützt, verliert er seinen Nimbus. Wenn die USA die Aufstände begrüßen, brüskieren sie Verbündete.

R. Klüver

Die US-Regierung hat das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten in Libyen scharf verteilt. Die USA seien "zutiefst beunruhigt" über die Berichte von Hunderten Toten bei Protesten in dem nordafrikanischen Land.

Wie soll die Weltmacht USA künftig mit nützlichen Despoten umgehen? Bisher herrscht Uneinigkeit, Washington zieht sich auf den Satz "Jedes dieser Länder dort ist verschieden" zurück. (Foto: AFP)

US-Diplomaten hätten in Gesprächen mit libyschen Regierungsvertretern, unter ihnen Außenminister Musa Kusa, "ernsthafte Einwände gegen den Einsatz tödlicher Gewalt" erhoben und sie ermahnt, den friedlichen Protest zuzulassen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley. Es war die bisher schärfste öffentliche Stellungnahme der USA zu den regierungsfeindlichen Demonstrationen in Libyen - und überhaupt zur Protestwelle im Nahen Osten.

Zwar unterhalten die Vereinigten Staaten seit 2009 wieder diplomatische Beziehungen zum Regime von Muammar al-Gaddafi. Dieses stand ganz oben auf der Liste der Regierungen, denen die USA vorwerfen, den internationalen Terrorismus zu fördern. Ob die Ermahnungen Washingtons Eindruck in Tripolis machen, ist unklar. Die Äußerungen Crowleys zeigen jedoch, wie unterschiedlich die USA auf die Demonstrationen in der arabischen Welt reagieren und wie ungleich verteilt ihr Einfluss in der Region sein dürfte.

"Jedes dieser Länder dort ist verschieden", sagte die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice am Sonntag. "Und jeder einzelne dieser Sachverhalte wird jeweils von den Menschen in diesen Ländern entschieden. Wir drängen niemanden zum Abgang oder ordnen an, dass sie bleiben sollen."

In allen Gesprächen mit den Regierungen von Tunesien bis Bahrain würden US-Regierungsvertreter jedoch darauf bestehen, dass "es universelle Menschenrechte gibt und dass sie beachtet werden müssen", sagte Barack Obamas Chefdiplomatin bei den Vereinten Nationen.

Tatsächlich aber ist das Vorgehen sehr unterschiedlich. Gegenüber Libyen machen Obamas Leute öffentlich Druck. Im Falle Bahrains hatten sie sich nach dem blutigen Vorgehen der Armee gegen die Demonstranten zu einer sorgfältig orchestrierten, stillen diplomatischen Kampagne entschlossen - und offenkundig damit Erfolg.

Präsident Obama hatte noch am Freitag König Hamad bin Isa Al Chalifa angerufen und ihn persönlich gedrängt, friedliche Proteste zuzulassen. Tags darauf hatte Obamas Sicherheitsberater Thomas Donilon Kronprinz Salman bin Hamad in einem Telefonat zu der Entscheidung gratuliert, die Armee in die Kasernen zurückzubeordern. Bahrain ist einer der wichtigsten Verbündeten der USA in der Region und Stützpunkt der 5. US-Flotte.

Die Haltung des Weißen Hauses zu den Protesten in der Region dürfte indes das Verhältnis zum mächtigen Nachbarn Bahrains weiter kompliziert haben, zu Saudi-Arabien. König Abdullah hatte bereits zu Beginn der Proteste in Ägypten Präsident Obama in einem Telefonat zu verstehen gegeben, wie wenig er von der amerikanischen Menschenrechtspolitik im Allgemeinen und vom schnellen Abrücken vom ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak im Besonderen hält.

Das Königshaus hat zudem am Wochenende seinerseits eine diplomatische Telefonoffensive gestartet und das benachbarte Herrscherhaus in Bahrain offenkundig zu einer härteren Haltung gegenüber den Demonstranten ermutigt. Das dürfte als wenig verhülltes Angebot der Saudis zu verstehen sein, notfalls bei der Niederschlagung der Proteste zu helfen.

Nicht zuletzt deshalb dürfte ein seit längerem geplanter Besuch des obersten Militärs der USA, Generalstabschef Admiral Mike Mullen, in Saudi-Arabien zu einer heiklen diplomatischen Mission werden. Mullen erklärte bei seinem Eintreffen in Saudi-Arabien am Sonntag, seine Aufgabe sei es, "zu beschwichtigen, zu diskutieren und die Vorgänge zu verstehen". Auch er wiederholte das Mantra der USA, dass es "von absolut entscheidender Bedeutung" sei, "Meinungsverschiedenheiten ohne Gewalt" zu lösen. Mullen wird noch Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und vielleicht Bahrain besuchen.

Auch das Regime im Jemen ist von Präsident Obama zu Zurückhaltung gegenüber Demonstranten ermahnt worden. Wie komplex das amerikanische Verhältnis indes auch zum Jemen ist, zeigt der Umstand, dass Washington Sanaa nicht nur zur Mäßigung gegenüber den Protesten anhält. Zur gleichen Zeit fordern die USA von der dortigen Regierung einem Bericht der Londoner Times zufolge mehr Engagement im Kampf gegen die Terrorgruppe al-Qaida, die seit Jahren Zuflucht in unzugänglichen Regionen des Landes findet.

Erst Anfang vergangener Woche bestätigte Washington, dass Jemen fast 200 Millionen Dollar an US-Hilfe erhält, darunter 75 Millionen für die jemenitische Anti-Terror-Einheit. Präsident Ali Abdullah Salih verglich unterdessen die Ursache der Proteste, die auch sein Land erfasst haben, mit einem Krankheitserreger. Er werde Reformen zulassen, aber keinen Umsturz.

© SZ vom 22.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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