Syrien:Zurück in die arabische Familie

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Die Außenminister der 21 Länder der Arabischen Liga entscheiden in Kairo, Syrien nach zehn Jahren wieder in ihrem Kreis aufzunehmen. (Foto: Ahmed Gomaa/IMAGO/Xinhua)

Die Arabische Liga nimmt Syrien trotz der Gräueltaten des Assad-Regimes wieder auf. Das schwere Erdbeben wurde für die Machthaber in Damaskus zum diplomatischen Glücksfall.

Von Mirco Keilberth, Tunis

Auf einer Sondersitzung in Kairo haben die Außenminister der Arabischen Liga am Sonntag für die Wiederaufnahme Syriens in ihren Kreis gestimmt. Das Treffen am Hauptsitz der Organisation diente als Vorbereitung auf das für den 19. Mai geplante Gipfel-Treffen im saudischen Riad. Dort könnte Präsident und Diktator Baschar al-Assad nach zehn Jahren Abwesenheit erstmals wieder persönlich erscheinen.

Die Mehrheit der arabischen Staaten brach den Kontakt zu dem syrischen Regime ab, nachdem Assad die zunächst friedlichen Bürgerproteste im Frühjahr 2011 mit Gewalt niedergeschlagen hatte. Bis zu einer halben Million Syrer kamen im folgenden zehnjährigen Bürgerkrieg ums Leben, 23 Millionen flohen vor den Kämpfen aus ihrer Heimat. Katar, Saudi-Arabien und die Türkei lieferten Waffen an die oppositionellen Islamisten-Milizen. Aus den Nachbarländern, Tunesien und Europa wurden junge Freiwillige von Netzwerken der sogenannten Muslimbrüder in den Kampf gegen Assad gelockt.

83 000 Fassbomben sollen in Syrien über Wohngebieten abgeworfen worden sein

Doch dessen Armee konnte nach dem Eingreifen iranischer Revolutionsgarden und russischer Armeeeinheiten die Opposition aus den wichtigsten Städten vertreiben. Die syrische Stelle für Menschenrechte zählte seit Beginn des Krieges 83 000 Fassbomben, die von der Regierungsarmee auf Wohngebiete abgeworfen wurden.

Trotz der offensichtlichen Kriegsverbrechen normalisierten die Vereinigten Arabischen Emirate bereits im März 2022 ihre Beziehung mit Assad. Als die Empörung über den Schritt ausblieb, folgten andere Länder der Region. Im April dieses Jahres kündigte der tunesische Präsident Kais Saied nach einem Besuch des syrischen Außenministers Faisal Mekdad in Tunis an, in Damaskus wieder eine Botschaft zu eröffnen. Zwar hatte die in Tunesien starke Zivilgesellschaft jahrelang gegen die Verbrechen des Assad-Regimes protestiert. Plötzlich waren aber auch in Tunis fast nur positive Stimmen zur Wiederaufnahme der Beziehungen zu hören. Mehr als 1000 tunesische Islamisten sitzen in Syriens Gefängnissen, für sie könnte das eine Chance sein, in ihre Heimat zurückkehren zu können. Mehr als 6000 Tunesier hatten seit 2011 in Milizen wie Ansar al-Scharia, al-Nusra oder dem Islamischen Staat gegen Assad gekämpft.

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Vor allem Ägypten, der Irak und Saudi-Arabien haben sich im Rahmen einer so genannten "Jordanien-Initiative" dafür eingesetzt, Damaskus aus den Armen Moskaus und Teherans zurück in die arabische Staatengemeinschaft zu holen. Es zeigt, wie pragmatisch die Außenpolitik in der Region mittlerweile ist. Zwar wehrten sich etwa Jordanien, Kuwait und Katar lange gegen das Vergessen der Gräueltaten des Assad-Regimes. Doch dann wurde das Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion am 6. Februar für Assad zu einem diplomatischen Glücksfall.

In den vom Krieg schwer gezeichneten Städten Homs, Idlib und Aleppo waren ganze Wohnblöcke wie Kartenhäuser zusammengestürzt, Angehörige gruben mit den bloßen Händen nach Verschütteten. Europäische Staaten und Hilfsorganisationen waren nun bereit, die Frierenden und Hungernden in Partnerschaft mit der staatlichen Hilfsorganisation "Roter Halbmond" und unter Aufsicht der Regierung in Damaskus zu versorgen. Nach diesem Tabubruch wirkte der erste offizielle Staatsbesuch von Assad mit seiner Frau Asma am 19. März in Abu Dhabi bereits wie Routine. Der Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate, Mohammed bin Zayed, versprach seinen Gästen Erdbebenhilfe in Höhe von 100 Millionen Dollar und forderte: "Es ist Zeit, dass Syrien in sein arabisches Umfeld zurückkehrt"

Nur eine Stunde Strom und der Verfall der Währung führt zu noch mehr Flüchtlingen

Assad nutzt die Lage, um den Krieg nach seiner Vorstellung fortzuführen. Die letzte Hochburg der Opposition in Idlib will er künftig von Damaskus aus und nicht von den Vereinten Nationen über die Türkei mit Lebensmitteln versorgen. Im nächsten Schritt soll die Türkei ihre Truppen aus Syrien abziehen. Militärisch wird Assad die Rebellen kaum mehr besiegen können, denn die zwei wichtigsten Verbündeten, Russland und Iran, haben nun andere Probleme. Die Russen sind in der Ukraine gefordert, das iranische Regime ist durch die Proteste im eigenen Land geschwächt.

Kritiker glauben, die Wiederaufnahme Syriens in die aus sonst 21 Ländern bestehende Arabische Liga habe mit den vielen Flüchtlingen in den Nachbarländern zu tun. Libanon, Jordanien und Ägypten leiden unter schweren Wirtschaftskrisen, dort mehren sich die Stimmen, die Syrer zurück in ihre Heimat zu schicken. Doch ohne einen Friedensvertrag mit den Rebellen und einen massiven Wiederaufbauplan erscheint dies unmöglich. Selbst in der Hauptstadt Damaskus erhalten private Haushalte derzeit weniger als eine Stunde Strom am Tag. Und der Kursverfall der syrischen Lira treibt wieder mehr Syrer aus dem Land.

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