Arabische Halbinsel:Der vergessene Krieg im Jemen

Saudi led coalition maintains high level of airstrikes on civilia

Jemeniten in den Ruinen von Häusern in Sanaa nach einem saudischen Luftangriff.

(Foto: dpa)
  • Der Jemen wird mit einem erbarmungslosen Krieg überzogen - von den Golfstaaten.
  • Mehr als 5000 Menschen sind bereits gestorben, die Hälfte von ihnen sind Zivilisten.
  • Die Welt muss jetzt ihrer Verantwortung den Jemeniten gegenüber gerecht werden.

Von Paul-Anton Krüger

Jemen galt den Römern als Felix Arabia, als glücklicher, weil fruchtbarer Teil der Halbinsel. Heute ist es der unglücklichste. Seit sechs Monaten wird das Land mit einem erbarmungslosen Krieg überzogen, der in einer von Konflikten geprägten Region die Absurdität auf die Spitze treibt. Die furchtbare Ironie: Die Golfstaaten, die reichsten Länder der Welt, verschwenden ihre Öl-Milliarden darauf, das ohnehin ärmste Land der arabischen Welt in die Vormoderne zurückzubomben - ohne damit ihren vorgeblichen politischen Zielen näherzukommen. Sie wollen zum einen dem international anerkannten Kabinett von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi wieder die Kontrolle über ganz Jemen verschaffen. Zum anderen begründen sie den Krieg als Versuch, Iran einzuhegen.

Dabei ist der Einfluss Teherans auf die Huthi-Rebellen und die Unterstützung für sie vernachlässigenswert gering im Vergleich zu den schiitischen Milizen in Syrien, Libanon und im Irak. Mit jedem Tag aber, den der Krieg andauert, treibt die sunnitische Koalition unter Führung Riads die Menschen den zaiditischen Schiiten aus dem Norden in die Arme, die Iran im Wesentlichen in ihrem Hass auf die USA und Israel nahestehen.

Die Golfstaaten bluten das ärmste arabische Land aus

Die fast vollständige Blockade Jemens zu Land, zu See und in der Luft zusammen mit dem pausenlosen Bombardement haben sich inzwischen zu einer völkerrechtswidrigen Kollektivstrafe gegen die Bevölkerung ausgewachsen. Immer wieder treffen die Luftangriffe zivile Ziele. Bomben detonieren in dicht besiedelten Wohngebieten Sanaas, vor allem aber haben sie Saada verheert, die Heimat der Huthi an der Grenze zu Saudi-Arabien. Dort steht kaum mehr ein Haus.

Die Huthi und mit ihnen alliierte Armee-Einheiten begehen ebenfalls Kriegsverbrechen, auch sie beschießen Wohnsiedlungen, legen Minen. Auch ihnen ist der Schutz von Zivilisten egal - aber die Dimensionen sind nicht vergleichbar.

Mehr als 5000 Menschen sind bereits gestorben, die Hälfte von ihnen sind Zivilisten. 21 der 26 Millionen Jemeniten sind von Hilfslieferungen abhängig, 6,5 Millionen leiden akut Hunger. Denn Hilfe kommt kaum noch ins Land. 400 000 Tonnen Getreide fehlen, um nur den Bedarf an Brot und Grundnahrungsmitteln zu decken. Käme Getreide, es könnte nicht gemahlen werden; es fehlt an Diesel und Strom für die Mühlen. Es gibt kein Gas mehr zum Kochen, kaum sauberes Wasser. Mancherorts ist die Lage schlimmer als 2014 im Gazastreifen während Israels Krieg gegen die Hamas. Doch der Aufschrei der Welt bleibt aus. Jemen ist der vergessene Krieg.

In dem Chaos machen sich Banden und Ableger des IS breit

Kein Wunder, dass die Menschen sich als Opfer einer von den USA unterstützten Aggression Saudi-Arabiens sehen. Im Norden ist dies der fast einhellige Blick auf den Konflikt, egal wie die Menschen zu den Huthi stehen. Es ist kaum vorstellbar, dass Präsident Hadi nach Sanaa zurückkehrt - er selbst weiß am besten, dass er das mit dem Leben bezahlen würde. Und seine Schutzherren in Riad sind sich darüber ebenfalls im Klaren.

Im Süden kämpfen zwar Milizen sunnitischer Stämme mit Hilfe von Soldaten aus den Emiraten entschieden gegen die Huthi. Wenige jedoch kämpfen für Hadi. Sie verfolgen ihre eigenen Ziele. Einige wollen die Abspaltung des Südens, andere haben wirtschaftliche Motive. In diesem Chaos grassiert Bandenkriminalität wie im "befreiten Aden", al-Qaida und Ableger des Islamischen Staats machen sich breit. Die Golfstaaten nehmen es in Kauf, im Interesse des Westens kann der Staatszerfall jedoch nicht sein. Mühsame Fortschritte im jahrelangen Kampf gegen die Dschihadisten werden zunichte gemacht.

Es muss politischer Druck aufgebaut werden

Das völkerrechtliche Prinzip der Schutzverantwortung wird in diesem Krieg auf den Kopf gestellt. Es sollte ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft ermöglichen, um Verbrechen an der Zivilbevölkerung zu stoppen. In diesem Fall aber lässt die international anerkannte Regierung aus dem Exil heraus ihr Land bombardieren. Manche westliche Staaten bedauern nun, dass sie der von Saudi-Arabien geführten Koalition per UN-Resolution einen Freibrief gegeben haben. Sie taten das vor allem deshalb, weil die USA die sunnitischen Golfstaaten beschwichtigen wollten, die über den Nuklear-Deal mit Iran erbost sind.

Es ist höchste Zeit, dass die Welt jetzt ihrer Verantwortung den Jemeniten gegenüber gerecht wird. Es muss politischer Druck aufgebaut werden, um eine dauerhafte Waffenruhe, Friedensgespräche ohne unrealistische Vorbedingungen und ein sofortiges Ende der strangulierenden Blockade zu erreichen. Die Bundesregierung könnte dazu einiges beitragen, indem sie einen sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an die Golfstaaten und ihre Verbündeten verkündet.

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