Apple:Der Überstaat

Wer hat eigentlich die Macht? Parlamente und Regierungen oder die großen Weltkonzerne? Der Steuerfall Apple rührt am Grundsätzlichen.

Von Stefan Kornelius

Tim Cook, der Vorstandsvorsitzende von Apple, teilte der Welt am Donnerstag mit, dass seine Firma einen fairen Teil der Steuerlast in Irland, den USA, überhaupt weltweit trage. Apple, da hat der Mann recht, ist tatsächlich der größte Steuerzahler der Welt. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Apple ist auch die reichste Firma der Welt. Fragt sich also, wie genau sich ein fairer Anteil berechnet und ob Fairness nicht ein willkürlicher Begriff ist angesichts eines potenziellen Fairness-Defizits von mindestens 13 Milliarden Euro, wie es jedenfalls die EU-Kommission sieht.

Steuerfragen sind Machtfragen, weshalb in der Theorie Regierungen und Parlamente darüber entscheiden, was nun fair oder unfair ist. Apple jedenfalls entscheidet nicht darüber - theoretisch zumindest. Praktisch allerdings schon, denn der irische Steuersatz wurde nach einem Verhandlungsprozess festgelegt.

Wer hat hier eigentlich die Macht? Wie ein Megakonzern mit Ländern spielt

Als ob das nicht merkwürdig genug wäre, setzt Apple seine Fairness-Vorstellung auch auf der anderen Seite des Atlantiks durch. Mehr als 230 Milliarden Dollar lässt der Konzern auf internationalen Konten vagabundieren, zum Teil in einer gar staatenlosen Struktur. Cook kündigte nun gönnerhaft an, man werde das Geld eventuell kommendes Jahr "repatriieren". Offenbar hängt die Entscheidung vom Steuersatz ab, der dann zu entrichten wäre. Dahinter steckt eine nicht minder freche Auskunft an die US-Steuerbehörden: Apple verfügt mit 230 Milliarden Dollar über mehr Geldreserven und Anlagen, als die Notenbank an Sicherheiten und Bargeldreserven auf ihren Konten hat. Und es entscheidet, wann es darauf Steuern zahlt.

Da stellt sich die Frage: Wer ist hier eigentlich der Staat? Wer hat die Macht?

Mit 13 Milliarden Euro lässt sich das gesamte irische Gesundheitssystem ein Jahr lang finanzieren. Der Apple-Marktwert von 570 Milliarden Dollar ist höher als das Bruttosozialprodukt von 165 der 190 Staaten der Welt. Apple ist also eine mächtige Firma, die sich Ende des vergangen Jahres auch weigerte, den Code des iPhones offenzulegen, den Strafverfolgungsbehörden zur Ermittlung in einem Terrorfall dringend gebraucht hätten.

Apples Macht liegt nicht nur in den Schatztruhen des Konzerns begründet, sie liegt im Produkt selbst. Apple handelt mit Daten, Facebook handelt mit Informationen, Google bestimmt, was die Menschheit wissen muss oder vergessen kann. Die Konzerne sind mit ihren Produkten Staaten an Macht überlegen, weil sie staatenlos operieren und nur den Aktionären gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Facebook muss seinen Nachrichten-Algorithmus von keinem Parlament absegnen lassen, Apple kann sich ein Steuerparadies quasi kaufen.

All diese Super-Konzerne der digitalen Neuzeit sind Globalisierungs-Gewinner, Machtgebilde über den Staaten. Die klassischen Staaten tun sich schwer mit ihrer Aufsicht, Absprachen unter 190 Regierungen sind fast unmöglich. Apple hingegen spaltet mühelos die EU. Das einzige Macht-Korrektiv haben die Kunden in der Hand. Sie haben ein feines Gespür dafür, wenn die von ihnen verliehene Macht missbraucht wird. Apple ist so mächtig geworden, dass es nur sich selbst gefährlich werden kann. Und siehe da: Selbst die Marken-Großmacht macht Fehler. Die Staaten sollten sie nutzen.

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