Süddeutsche Zeitung

Antrittsrede in Österreich:Österreichs Kanzler will "Köpfe und Herzen nicht billigem Populismus überlassen"

In seiner ersten Erklärung vor dem Parlament geht Christian Kern hart mit der österreichischen Politik ins Gericht.

Von Timo Nicolas

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat in der Flüchtlingspolitik Respekt vor der Menschenwürde gefordert und die oppositionelle FPÖ scharf kritisiert, ohne sie jedoch direkt zu benennen. Er wolle eine Politik der Weltoffenheit jener der geistigen Enge gegenüberstellen, sagte der am Dienstag vereidigte Kanzler in seiner Antrittserklärung vor dem Nationalrat, dem österreichischen Parlament. "Wir wollen die Köpfe und Herzen nicht dem billigen Populismus überlassen", sagte der 50-jährige. "Der Hetze gegen Minderheiten müssen wir mit einem eigenen Programm entgegnen."

In Bezug auf die Flüchtlingspolitik betonte Kern, dass er für ein notwendiges Maß an Ordnung sorgen wolle. Die öffentliche und soziale Sicherheit müsse gewährleistet sein. Man müsse in der Frage aber seine Emotionen zügeln. Kern berief sich auf den am Mittwoch verstorbenen Historiker Fritz Stern, indem er sagte: "Menschen haben Ängste, aber es macht keinen Sinn, sie darin zu bestärken."

Österreich hat in den vergangenen Monaten seine Flüchtlingspolitik drastisch verschärft und plant unter anderem, Grenzkontrollen zu Italien wiedereinzuführen. Gleichzeitig erhielt die rechte FPÖ starken Zulauf, ihr Kandidat Norbert Hofer könnte am Sonntag sogar zum neuen Bundespräsidenten des Landes gewählt werden.

Während seiner Rede kokettierte der ehemalige Manager und Journalist Kern immer wieder damit, kein Berufspolitiker zu sein und kritisierte den politischen Betrieb Österreichs, in dem zuletzt die "billige Pointe" im Vordergrund gestanden habe. Bis er von der SPÖ als Kanzler in die Regierung gerufen wurde, war Kern Chef des staatlichen Bahnunternehmens ÖBB.

Kern sprach von einer großen Distanz zwischen Bürgern und Politik, die sich von den Sorgen der Leute zu weit entfernt hätte. Daran habe nicht nur die Regierung schuld, sondern "in höchstem Maße auch die Opposition", sagte Kern. Dem Eindruck des Stillstands müssten Visionen gegenübergestellt werden. In Anlehnung an das berühmte Zitat von Helmut Schmidt sagte er: "Im Jahr 2016 bedeutet keine Visionen zu haben, dass man tatsächlich einen Arzt braucht."

Einen Großteil der Redezeit sprach der Ex-Bahnchef über einen "New Deal" den Österreich brauche, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, blieb dabei jedoch noch unkonkret. Ein wichtiger Punkt sei es, öffentliche und private Investitionen besser miteinander zu vernetzen und sich nicht gegen Globalisierung und Digitalisierung zu wehren. Außerdem betonte er, wie wichtig Bildungspolitik sei, denn sie wäre die beste Arbeitsmarktpolitik.

Christian Kern wurde am Dienstag vom scheidenden Bundespräsidenten Heinz Fischer als neuer Kanzler angelobt. Er folgt auf Werner Faymann, der am 9. Mai als Bundeskanzler zurückgetreten war. Davor hatte die SPÖ eine drastische Niederlage in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hinnehmen müssen, die klar von der FPÖ gewonnen wurde.

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