Süddeutsche Zeitung

Antrittsbesuch:Tsipras nimmt sich Zeit für lange Gespräche

  • Nach seinem Besuch bei Kanzlerin Merkel hat der griechische Ministerpräsident Tsipras auch andere deutsche Politiker getroffen.
  • Doch auch zusammengerechnet dauern sie alle nicht so lange wie die Begegnung mit der Kanzlerin am Abend zuvor.
  • Ihre Bilanz fällt einstimmig positiv aus.

Von Nico Fried, Berlin

Natürlich liegt der Kalauer nahe, dass es Alexis Tsipras nicht eilig hat, nach Griechenland zurückzukehren. Bei all den Problemen. Einen ganzen Tag hat sich der griechische Ministerpräsident jedenfalls nach seiner Begegnung mit Kanzlerin Angela Merkel noch Zeit genommen, um auch andere wichtige und nicht ganz so wichtige deutsche Politiker zu treffen. Am Ende dieses Dienstags hat er mit zwei Bundesministern der SPD gesprochen, mit der Parteivorsitzenden und dem Fraktionsvorsitzenden der Linken und mit den beiden Parteichefs der Grünen.

Ein Hotel am Potsdamer Platz ist die Residenz, in der Tsipras seine Gäste empfängt, genauer gesagt eine Suite im vierten Stock. Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister, ist morgens der erste Gast, Simone Peter und Cem Özdemir wurden zum Abschluss am späten Nachmittag erwartet. Einmal nur verlässt Tsipras das Hotel für eine knappe Stunde, um das Mahnmal für die Opfer des Holocaust zu besuchen. An den Kameras und Mikrofonen geht er dabei stets wortlos vorbei, nur ein paar Schaulustige begrüßt er sehr zu deren Freude sogar mit einem Händedruck. Danach verschwindet er wieder im Hotel.

Es sind viele Gespräche, die er führt, und doch dauern sie alle auch zusammengerechnet nicht so lange wie die eine Begegnung mit der Kanzlerin am Abend zuvor. Insgesamt verbrachten die beiden fast sieben Stunden miteinander, von der Begrüßung um 17 Uhr, über die Pressekonferenz bis zum gemeinsamen Abendessen. Erst um kurz vor Mitternacht verließ Tsipras das Kanzleramt. Es war der wohl längste Antrittsbesuch, den je ein neuer Regierungschef in Berlin absolviert hat.

"Gute und konstruktive Atmosphäre"

Merkel und der Ministerpräsident hätten, "in guter und konstruktiver Atmosphäre eine umfassende Aussprache über die Situation Griechenlands, die Arbeitsweise der Europäischen Union und die künftige deutsch-griechische Zusammenarbeit" hinter sich gebracht, verlautbarte der Regierungssprecher. Anhand der Kargheit dieser Information konnte man schon ahnen, dass Merkel und Tsipras sich auf äußerste Verschwiegenheit verständigt hatten - für Merkel eine der wichtigsten Voraussetzungen für vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Interessanterweise zogen alle deutschen Gesprächspartner des griechischen Ministerpräsidenten eine positive Bilanz. Außenminister Steinmeier zum Beispiel freute sich darüber, dass sich nach seinem Eindruck "die Tonlage in den deutsch-griechischen Gesprächen in den vergangenen Tagen deutlich verändert und deutlich verbessert hat". Dies sei zwar noch nicht die Lösung der finanzpolitischen Probleme Griechenlands, aber eine Voraussetzung für weitere ernsthafte Gespräche in den nächsten Tagen, so Steinmeier.

Auch Katja Kipping und Gregor Gysi waren zufrieden. Die beiden Linken-Politiker ließen sogar erkennen, dass Tsipras sich wohl auch über seine Begegnung mit Merkel positiv geäußert hatte. "Das Klima war wohl nicht unangenehm", wusste Gregor Gysi zu berichten. Und seine Parteifreundin Kipping ergänzte: "Das nächtliche Gespräch hat geholfen, neues Verständnis für die Lage in Griechenland zu schaffen." Wenn schon die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds "kaltherzig" agiere, sei es doch wichtig, dass wenigstens die Regierungschefs über die soziale Notlage in Griechenland Bescheid wüssten, so Kipping.

Aus Gysis Sicht hat Europa kein finanzielles, sondern ein politisches Problem

Ob auch Tsipras ein neues Verständnis für die Haltung der Bundesregierung entwickeln konnte, ließen die beiden Links-Politiker offen. Aus Gysis Sicht aber hat Europa derzeit ohnehin kein finanzielles, sondern ein politisches Problem. 18 Regierungen aus der Euro-Gruppe wollten eine neoliberale Politik fortsetzen, aber eine Regierung, nämlich die griechische, sage dazu Nein.

Die Politik der Bundesregierung sei "auf einen Crashkurs ausgerichtet", weil das ewige Gerede über ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro zu einer Kapitalflucht führe. Und das alles, obwohl gerade Deutschland im Falle eines Ausscheidens Griechenlands mit bis zu 60 Milliarden Euro für verlorene Kredite haften müsste.

Post bis Montag

Die griechische Regierung will ihre Liste mit den geplanten Reformen bis Montag der Euro-Gruppe schicken. Das sagte Regierungssprecher Gabriel Skallaridis am Dienstag. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe in Berlin bereits "die Umrisse der Reformpläne präsentiert". Dabei habe es mehrere Punkte gegeben, in denen sich Berlin und Athen einig gewesen seien. Bei Tsipras' Antrittsbesuch waren Merkel und der griechische Premier zuvor in wesentlichen Fragen nicht vorangekommen. Tsipras hatte andere Prioritäten bei den Reformen gefordert. Forderungen nach Reparationen wies Merkel zurück. dpa

Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel spielte den Ball dann wieder auf die griechische Seite zurück. "Uns allen ist klar, Deutschland und dem Rest der Euro-Zone: Wir wollen helfen", sagte Gabriel nach einer gut einstündigen Begegnung mit Tsipras. "Aber das setzt voraus, dass die griechische Regierung selbst eine Politik betreibt, bei der die verabredeten Ziele und Programme eingehalten werden." Insgesamt aber zog auch der SPD-Chef ein positives Fazit: "Ich glaube, was wir erleben, ist Gott sei Dank eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Griechenland und Deutschland."

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SZ vom 25.03.2015/kjan
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