Antrittsbesuch in Berlin:Tsipras wirbt um Merkels Unterstützung

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Lärmende Sprachlosigkeit - Leitartikel von Claus Hulverscheidt

Der Premier aus Athen gibt sich versöhnlich. Beim Thema Finanzkrise bleiben die Differenzen aber bestehen.

Von C. Hulverscheidt und S. Braun, Berlin

Deutschland und Griechenland wollen sich trotz weiter gravierender Meinungsverschiedenheiten gemeinsam gegen einen Staatsbankrott und einen Euro-Austritt des südeuropäischen Landes stemmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Alexis Tsipras in Berlin, sie wünsche sich ein wirtschaftlich starkes Griechenland, das die Arbeitslosigkeit überwinde und im Euro bleibe. Tsipras warb um Merkels Unterstützung und betonte, er halte an der Haushaltssanierung fest. Allerdings brauche Europa einen ganz neuen Politik-Mix, um die soziale Krise zu bewältigen.

Beide Regierungschefs waren sichtlich bemüht, die aufgeheizte Stimmung zwischen ihren Ländern durch einen freundlichen, verbindlichen Ton zu entspannen. "Wir müssen uns besser verstehen", sagte Tsipras. Gleichzeitig wurde aber deutlich, dass beide Seiten bisher nicht einmal in der Ursachenanalyse, geschweige denn in der Frage der Krisenstrategie übereinstimmen. Nach Tsipras' Worten haben die maßgeblich von Merkel geprägten Hilfsprogramme der letzten fünf Jahre "zu schrecklichen Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft und zu enormen sozialen Verwerfungen geführt". Die Kanzlerin wiederum ließ erkennen, dass sie keinen Grund sieht, von ihrem bisherigen Kurs abzurücken. Auch könne sie Athen kein Geld versprechen, dies sei Sache der Euro-Finanzminister.

Einig waren sich die Regierungschefs darin, dass Korruption und Steuerflucht in Griechenland bekämpft werden müssen. Eine konkrete Maßnahmenliste legte Tsipras aber zunächst wohl nicht vor. In griechischen Medien- und Agenturberichten hatte es zuvor geheißen, der Premier wolle mit einem Mix aus Strukturreformen, Steuererhöhungen, Privatisierungen und Nachzahlungen von Steuerbetrügern Geld in die Staatskasse bringen. So sollen Arbeitnehmer künftig auch in Griechenland erst mit 67 Jahren in Rente gehen, Anreize, den Job früher aufzugeben, werden gestrichen. Im Gespräch ist auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Touristeninseln sowie der Steuern auf Tabak und Alkohol.

Merkel und Tsipras plädierten dafür, Stereotypen im deutsch-griechischen Verhältnis möglichst zu überwinden. "Weder sind die Griechen Faulenzer, noch sind die Deutschen schuld an den Missständen in Griechenland", erklärte der Premier. Merkel sagte zudem zu, über die Einrichtung einer von Deutschland mitfinanzierten Förderbank in Griechenland nach KfW-Vorbild zu sprechen, wenn Athen das wolle.

Strittig blieb, ob Deutschland dem EU-Partner wegen der Nazi-Gräuel und eines Zwangskredits während des Zweiten Weltkrieg noch Reparationszahlungen schuldet. Tsipras sagte, dies sei nicht in erster Linie eine finanzielle, sondern eine ethisch-moralische Frage, über die gesprochen werden müsse. Merkel hingegen bekräftigte die Haltung der Bundesregierung, dass die Reparationsfrage "politisch und juristisch abgeschlossen" sei. Deutschland kenne aber seine politische Verantwortung. Im Gespräch ist, den Etat des von Bundespräsident Joachim Gauck begründeten deutsch-griechischen Zukunftsfonds deutlich aufzustocken.

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