Antrittsbesuch:Abflauende Schockwellen

US-Vizepräsident Pence überbringt der EU Washingtons Zusicherungen der Verbundenheit. Ratschef Tusk sagt, es sei nicht alles wie immer - sieht aber Anlass zu Hoffnung.

Von Daniel Brössler

Donald Tusk beginnt mit einer Art Seufzer. "Wir alle haben es wirklich gebraucht", sagt der EU-Ratspräsident über das Treffen, das gerade zu Ende gegangen ist. Neben ihm steht US-Vizepräsident Mike Pence, dem er zunächst einmal für seien "Offenheit" dankt, was in der Welt der Außenpolitik schon Bände spricht. Gewissermaßen haben die neue amerikanische Regierung und die Europäische Union nun diplomatische Beziehungen aufgenommen, nachdem "überraschende Meinungen", wie Tusk es nennt, Schockwellen über den Atlantik geschickt haben. Wenige Tage vor Amtsantritt hatte Donald Trump die EU als "Mittel zum Zweck für Deutschland" bezeichnet und gegenüber der Union eine Mischung aus Feindseligkeit und Ignoranz an den Tag gelegt. Tusk bezeichnete er nach einem Telefonat als "angenehm", allerdings verwechselte er ihn mit Jean-Claude Juncker.

Es sei sein "Privileg im Namen von Präsident Trump das starke Bekenntnis zu fortgesetzter Kooperation und Partnerschaft mit der Europäischen Union abzugeben", verkündet Pence nun nach der Begegnung mit Tusk. Er bewegt sich damit auf dem Pfad, den er schon bei der Sicherheitskonferenz in München beschritt. Dort hatte er die Bündnistreue der USA in der Nato versichert, im Ratsgebäude der EU spricht er nun erstmals von der "unerschütterlichen und dauerhaften Verpflichtung" der USA gegenüber der Europäischen Union. Ähnliches war von Trump selbst bisher nicht zu hören. Pence hingegen betont die gemeinsame Bedeutung für die Weltwirtschaft und spricht von gemeinsamen Werten. "Uns trennt ein Ozean, aber wir sind vereint durch ein gemeinsames Erbe", sagt er.

Antrittsbesuch: Über Themen sprechen, die "den Eindruck von Meinungsverschiedenheiten erwecken: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit Mike Pence.

Über Themen sprechen, die "den Eindruck von Meinungsverschiedenheiten erwecken: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit Mike Pence.

(Foto: Virginia Mayo/AP)

Mit einem uneinigen Europa wäre die Welt ein schlechterer Ort, findet Tusk

Nach Trumps Pöbeleien klingt das in Brüssel fast zu nett, um wahr zu sein. Man könne nicht so tun als sei "alles wie immer", stellt Tusk klar. Was Pence sage, gebe nun Anlass zu Hoffnung, beteuert er aber. Tusk, einst Regimegegner im kommunistischen Polen, später liberaler Ministerpräsident und nach eigenem Bekunden immer noch "unheilbar pro-amerikanischer Europäer", versucht Pence dort abzuholen, wo er einen Republikaner vermutet. Er spricht warm über Ronald Reagan, der seine Landsleute zum Aufstellen von Kerzen für die unter dem Kriegsrecht leidenden Polen aufgefordert habe. Und er nutzt die Gelegenheit, Trump ein paar eindringliche Mahnungen mit auf den Weg zu geben. Die EU zähle "auf die uneingeschränkte Unterstützung der USA für die Idee der europäischen Integration". Die Welt, sagt er, "wäre ein viel schlechterer Ort, wenn Europa nicht einig wäre". Berichte über den Tod des Westens nennt er frei nach Mark Twain als "stark übertrieben". In München hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow zuvor den Beginn einer post-westlichen Weltordnung verkündet. "Wir sollten uns auf eines verständigen: Die Idee der Nato ist nicht obsolet", bittet Tusk.

Pence versucht nicht ganz ohne Erfolg, Ängste zu zerstreuen. Pence habe ihm in drei Kernfragen die Kooperation der USA versprochen, berichtet Tusk: internationale Beziehungen auf Grundlage internationaler Gesetze, Sicherheitspolitik auf Grundlage der Nato und das Ziel eines vereinten Europas. Den Gesprächspartnern sagt Pence zu, Washington werde nicht nur die Zusammenarbeit mit einzelnen EU-Staaten fortsetzen, sondern auch mit den EU-Institutionen. Er glaube nicht, dass der Moment für "eine Spaltung zwischen den USA und der EU" gekommen sei, konstatiert EU-Kommissionspräsident Juncker erleichtert. Über Themen, die "den Eindruck von Meinungsverschiedenheiten erwecken", müsse aber gesprochen werden. Pence muss sich in Brüssel denn auch Fragen gefallen lassen, die amerikanische Regierungspolitiker früher nicht zu hören bekommen hätten. Was es etwa mit dem "Krieg" auf sich habe, den Präsident Trump mit den amerikanischen Medien austrage. "Seien Sie versichert, dass der Präsident und ich eine freie und unabhängige Presse entschieden unterstützen", antwortet Pence. Aber Trump werde falsche Fakten auch künftig richtigstellen. Schließlich habe der neue US-Präsident die "einzigartige Fähigkeit, direkt mit dem amerikanischen Volk zu sprechen". Vor dem Rückflug nach Washington überbringt Pence Generalsekretär Stoltenberg im Nato-Hauptquartier noch einmal Grüße seines Chefs, verbunden mit "starker Unterstützung" für die transatlantische Allianz. Noch einmal erinnert er aber auch daran, dass die Verteidigungsausgaben aller Nato-Staaten wie zugesagt auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen müssten. "Der Präsident und das amerikanische Volk erwarten von unseren Verbündeten, dass sie ihr Wort halten und mehr für unsere gemeinsame Verteidigung tun", sagt Pence. Trump wünsche "echten Fortschritt bis Ende 2017. Es ist Zeit für Taten, nicht Worte". Trump habe ihn geschickt, betont Pence immer wieder. Am Ende glaubt man es.

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