Anträge zur Abspaltung von den USA:Raus aus Obama-Land!

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Anhänger der konservativen Tea Party in Texas. Viele Konservative in dem US-Bundesstaat wollen die Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten. (Foto: AFP)

Mehr als hunderttausend Bürger unterstützen eine Petition auf der Internetseite des Weißen Hauses, Texas von den Vereinigten Staaten abzuspalten. Das ist Ausdruck der Frustration vieler Konservativer, die sich nicht mit dem wiedergewählten Präsidenten Barack Obama abfinden wollen. Auch in anderen Staaten laufen Sezessions-Anträge.

Matthias Kolb, Washington

Es klingt wie eine höfliche Bitte an Barack Obama: Auf einer eigens für den Bürgerdialog eingerichteten Website fordert Micah H., der US-Präsident möge es dem Bundesstaat Texas "auf friedvolle Weise" erlauben, "sich von den Vereinigten Staaten abzuspalten und eine NEUE Regierung zu bilden". Als Argument für seinen Antrag ( hier nachzulesen) führt H. an, dass die Bundesbehörden die Freiheitsrechte der Texaner einschränken würden und der Staat auch wirtschaftlich alleine überleben könnte: Immerhin wäre ein unabhängiges Texas die Nummer 15 unter den Volkswirtschaften der Welt.

Seit die Petition drei Tage nach dem Wahlsieg von Barack Obama auf die Website des Weißen Hauses gestellt wurde, haben mehr als 117.000 Bürger den Antrag unterzeichnet. Sobald ein Antrag 25.000 Unterstützer findet, muss sich die Regierung äußern. Wann und wie genau die Antwort kommen wird, ist unklar (alle Anträge bleiben einen Monat lang online) - doch viele Amerikaner fragen sich, ob dies nur ein schlechter Scherz von frustrierten Republikanern ist oder ob es einige Landsleute mit der Unabhängigkeit tatsächlich ernst meinen.

Denn in Folge des texanischen Sezessionsantrags hat sich in jedem der anderen 49 Bundesstaaten jemand gefunden, der mit den USA nichts mehr zu tun haben will und ebenfalls für eine Abspaltung wirbt. Die Unterstützung ist dort am stärksten, wo Mitt Romney am besten abschnitt - also etwa in den Südstaaten Georgia, South Carolina, Louisiana oder Tennessee ( Übersicht mit aktuellen Zahlen).

Und da Texaner in den USA einen noch spezielleren Status genießen als Bayern in Deutschland, begeben sich viele Medien auf Spurensuche. "Es ist ein seltsames Phänomen, über das die meisten von uns den Kopf schütteln", sagt Randolph Campbell, Chefhistoriker der Texas State Historical Association, zur Zeitung Politico. Es gebe einige Randgruppen, die das Thema forcierten, und viele Konservative hätten aus Frust über den für sie überraschenden Wahlsieg Obamas im Internet zugestimmt. Doch Campbell vermutet, dass sich kaum jemand über die realen Folgen einer Abspaltung Gedanken gemacht habe.

Mit rechtlichen Details hält sich Larry Scott Kilgore nicht auf: Der Republikaner will 2014 Gouverneur werden und Texas in die Unabhängigkeit führen. "Erst die Unabhängigkeit, die anderen Themen kommen später", heißt es auf seiner Website. Um zu zeigen, dass er es ernst meine, werde er seinen Namen in Larry SECEDE Kilgore ändern lassen, verriet er der New York Times. "Secede" steht für "Sagt euch los!" Andere sezessionistische Gruppen wie die "Republic of Texas" unterstützen den Online-Antrag gar nicht erst, weil sie ihn grundsätzlich für nicht legitim halten - schließlich sei Texas 1845 ohnehin widerrechtlich von den Vereinigten Staaten annektiert worden.

Wie groß die Unterstützung in der Bevölkerung wirklich ist, lässt sich unmöglich beantworten. In ihren Berichten verweisen US-Medien auf so unterschiedliche Dinge wie die verstärkte Nachfrage nach Aufklebern mit dem Aufdruck "Secede" ( "Sagt euch los!") oder den erhöhten Verkauf von Waffen nach Obamas Wahlsieg. Doch hier könnte auch die - faktisch wenig begründete - Sorge nach strengeren Waffengesetzen die Hauptmotivation sein.

Genau analysiert werden die Reaktionen von den Politikern aus Texas: Während sich die Bush-Familie in Schweigen hüllt, versichert Gouverneur Rick Perry, dass er an die "Größe der Vereinigten Staaten" glaube und keine Änderungen fordere. Allerdings teile Perry "die Frustration vieler Bürger über die Bundesregierung", erklärt eine Sprecherin. 2009 hatte Perry noch mit einer Abspaltung kokettiert und war von TV-Satiriker Stephen Colbert verspottet worden ( Clip hier).

Mehr Sympathie äußert Ron Paul, der libertäre Kauz, der noch bis Januar 2013 den 14. Wahlbezirk in Texas vertritt: Auf seiner Abgeordneten-Website nennt er das Recht auf Abspaltung ein "zutiefst amerikanisches Prinzip". Schließlich sei das Land erst durch die Lossagung von England entstanden.

Paul, der viele Anhänger unter jungen Amerikanern hat, ist überzeugt, dass es weder "verräterisch" noch "unpatriotisch" sei, sich eine Bundesregierung zu wünschen, die stärker auf die Wünsche der Bürger eingehe. Wie es jedes Kind in der Schule lernt, weiß Paul auch, dass die USA als ein Bund aus Einzelstaaten entstanden ist (deswegen gelten ja auch bis heute 50 verschiedene Wahlgesetze). In der Tradition dieses Gedankens stehe für ihn fest: Wenn ein Staat und dessen Bürger nicht das Recht haben, sich von einem Unterdrücker-Regime loszusagen, dann sind diese nicht frei.

Christian Lammert, Amerikanistik-Professor der Freien Universität Berlin, vermutet im Programm von Deutschlandradio Kultur, dass die Bewegungen teils aus einer "Spaß-Guerilla" und teils aus Rassisten und Neonazis bestehe, zu denen außerdem "frustrierte Bürger, die ihre Häuser verloren haben, die arbeitslos geworden sind und die die Schuld jetzt eben auf Washington schieben" kommen.

Lammert verweist auf zwei weitere wichtige Punkte: Einerseits sei es leicht, seine Unterstützung mit einem Mausklick zu zeigen. Andererseits falle auf, dass die Sezessionsbestrebungen genau in jenen Südstaaten am größten seien, wo die "gesellschaftlichen Veränderungsprozesse, also gerade die Einwanderung von Hispanics" am deutlichsten zu spüren zu sei. Eins ist klar: Ein Zeichen für eine Annäherung der polarisierten Ränder der US-Gesellschaft sind die Online-Anträge nicht.

Allerdings hat der Antrag des Texaners Micah H. nicht nur Nachahmer unter frustrierten Konservativen in anderen US-Staaten gefunden. Auf petitions.whitehouse.gov finden sich auch Anträge, die eine etwas andere Loslösung fordern: So sollen sich etwa die Metropolen Atlanta und Austin von Georgia und Texas abspalten. Und Teil der USA bleiben.

Der Autor twittert unter @matikolb.

Linktipp : Das Radio-Interview mit Amerikanistik-Professor Christian Lammert ist hier nachzuhören. Politico hat "zehn Fakten zur Sezession" zusammengestellt.

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