Das war Antonin Scalia
Fast 30 Jahre lang war Antonin Scalia, der mit 79 Jahren gestorben ist, einer von neun Richtern am Supreme Court. Scalia, von Ronald Reagan nominiert, war die führende konservative Stimme am Obersten Gerichtshof. Dass er als "einflussreichster Richter des vergangenen Vierteljahrhunderts" galt ( Top-Jurist Richard Posner), liegt daran, dass er die Theorie des Originalism etablierte. Scalia legte die Verfassung wörtlich aus: So, wie sie Ende des 18. Jahrhunderts geschrieben worden ist.
Scalia verteidigte das Recht jedes US-Bürgers auf Waffenbesitz ebenso vehement wie er Abtreibungen ablehnte. Der gläubige Katholik und "intellektuelle Eckpfeiler des modernen Konservatismus" ( Washington Post) war bekannt für beißenden Humor - und für unerbittliche Minderheitsmeinungen. Nichts, so die New York Times in ihrem Nachruf, hasste Scalia mehr als vage formulierte Gesetze.
Der elegante Stilist begründete seinen Drang nach Klarheit auch mit der Erfahrung als neunfacher Vater: "Kinder akzeptieren viele Regeln, etwa ein Fernsehverbot. Aber wenn man den einen Bruder oder eine Schwester schauen lässt und die anderen nicht, dann empfinden sie es als ungerecht." Auch liberale Medien wie den New Yorker beeindruckte Scalia mit seinem unorthodoxen Auftreten: "Seine Aussagen in der Öffentlichkeit glichen mitunter einem Rockstar, der auf der Bühne eine Gitarre zertrümmert". Der Musikfan Scalia besuchte ausgerechnet mit Ruth Bader Ginsburg, der liberalsten Richterin, gerne Opern - über dieses besondere Paar wurde kürzlich selbst eine Oper geschrieben.
Supreme Court:Hört! Hört! Hört
Ideologisch verfallen die USA seit Jahren in zwei bitter verfeindete Lager - die großen Probleme müssen die obersten Richter lösen. Ein junger Komponist hat eine Oper über sie geschrieben.
Diese Rolle spielt der Oberste Gerichtshof für US-Politik
Weil seit Jahren in Washington politischer Stillstand zwischen Demokraten und Republikanern herrscht, fällt dem Supreme Court eine enorme Macht zu. Es waren die neun Richter, die entschieden, dass die Gesundheitsreform Obamacare rechtmäßig sei, und die den Weg zur Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Ehen ebneten.
Fünf der neun auf Lebenszeit ernannten Richter waren von republikanischen Präsidenten nominiert wurden; vier von den Demokraten Bill Clinton und Barack Obama. Meist urteilten die Richter gemäß dieser Linien - bei Entscheidungen wie zur Homo-Ehe fungierte der einst konservative, nun im Alter aber immer moderater werdende Anthony Kennedy oft als entscheidende Stimme.
Der überraschende Tod von Antonin Scalia bringt US-Präsident Obama nun ins Grübeln. Laut Verfassung hat der US-Präsident das Recht, die Richter für den Supreme Court vorzuschlagen. Obama würdigte Scalia in einer kurzen Rede am Samstagabend und erklärte, dass er die Verantwortung, einen Nachfolger zu nominieren ausüben werde, und das "zu gegebener Zeit".
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Da ihre Amtszeit unbegrenzt ist, können die Verfassungsrichter die politischen Überzeugungen eines US-Präsidenten lange nach dessen Auszug aus dem Weißen Haus vertreten. Obama konnte bisher zwei Richterinnen entsenden: Sonia Sotomayor und Elena Kagan ersetzten jedoch zwei associate justices, die dem liberalen Flügel zugerechnet werden. Nun ist dies anders: Wenn der Demokrat Obama vor dem Ende seiner Amtszeit einen Nachfolger für den konservativen Scalia durch den Senat bringt, würden sich die Machtverhältnisse dramatisch verändern.
So reagieren die Republikaner-Kandidaten
Dies wissen natürlich auch die konservativen Bewerber fürs Weiße Haus. Also fordern in ihrer TV-Debatte alle sechs Republikaner Obama dazu auf, keinen Nachfolger für Scalia zu nominieren. Ted Cruz, einst selbst Assistent am Supreme Court, nennt Scalia einen "Giganten des Rechts" und warnt seine Zuhörer: "Wir sind nur eine Stimme entfernt von einem Gericht, das alle Begrenzungen für Abtreibungen abschaffen würde."
Donald Trump gibt sich pragmatisch. Es wäre besser, wenn Obama niemand nominieren würde, doch dies werde nicht geschehen: "Auch wenn ich mich aufrege, wird er es versuchen. Es liegt an Mitch (McConnell, Chef der Republikaner im Senat; d. Red), das zu verzögern." Da die Konservativen momentan 54 der 100 Senatoren stellen, jeder Bewerber für den Richter-Posten aber 60 Stimmen braucht, sind die Erfolgsaussichten einer Blockade gut - und McConnell hat sich entsprechend geäußert.
Damit rückt der Supreme Court ins Zentrum des Wahlkampfs: Alle Kandidaten werden offensiv damit werben, dass sie nur Juristen nominieren werden, die der Parteibasis genehm sind (Sanders will nur Juristen auswählen, die das auch von Scalia unterstützte "Citizen United"-Urteil kippen, das unbegrenzte Wahlkampfspenden ermöglicht).
Zwei Begriffe werden oft zu hören sein: Gemäß der "Thurmond-Regel" soll ein Präsident im letzten Jahr keine Richter nominieren, sondern bis nach der Wahl warten ( Details hier). Und Konservative fürchten ein recess appointment: Demnach kann der US-Präsident einen Kandidaten einsetzen, wenn der Kongress nicht tagt und sich in einer Pause befindet. Dies wäre laut Fox News theoretisch schon kommende Woche möglich, ein solcher Schritt Obamas wäre allerdings eine enorme Provokation und ist daher zumindest zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich.
Was passiert, wenn die Richter-Stelle lange vakant bleibt
Solange kein neunter Richter nominiert und vom Senat bestätigt ist, geht die Arbeit am Obersten Gericht weiter. Im Juni werden wichtige Entscheidungen erwartet: über das Recht auf Abtreibung, die Bevorzugung von Minderheiten beim Zugang zu Hochschulen ( affirmative action) sowie das Recht des US-Präsidenten, per Dekret weitreichende Entscheidungen in der Einwanderungs- und Klimapolitik zu treffen.
Wenn am Ende eine 4:4-Entscheidung steht, dann ist der Supreme Court nicht entscheidungsfähig und das Urteil des untergeordneten Gerichts bleibt weiter in Kraft.