Süddeutsche Zeitung

Antisemitismus:Solidarität mit Felix Klein

Europas Rabbiner stellen sich hinter den massiv kritisierten Antisemitismus­beauftragten der Bundesregierung - die Debatte um ihn gehe am wirklichen Problem vorbei.

In der Debatte über Antisemitismus in Deutschland erhält der mit massiven Vorwürfen konfrontierte Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung weiter Rückendeckung von prominenter jüdischer Seite. So äußerte sich der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Pinchas Goldschmidt, in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) entsetzt. In dieser Woche hatte sich bereits der Zentralrat der Juden in Deutschland hinter Klein gestellt. "Die Vorwürfe gegen Felix Klein und der relativierende Umgang mit dem leider wieder grassierenden Antisemitismus, die in dem von mehr als 60 Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern unterzeichneten Brief geäußert wurden, haben die jüdische Gemeinschaft verletzt", schrieb Goldschmidt.

Die Debatten gingen "am wirklichen Problem" vorbei. Damit werde Antisemiten Vorschub geleistet und auch ignoriert, in welcher schwierigen Lage Europas Juden derzeit seien. Wünschenswert sei in Deutschland eine Debatte darüber, wie der Kern des Antisemitismus bekämpft werden könne, betont Goldschmidt. Die jüdische Gemeinschaft in Europa sei dankbar, die Bundesregierung mitsamt Klein bei der Bekämpfung des Antisemitismus und der Förderung jüdischen Lebens in Deutschland an ihrer Seite zu wissen.

In dem Offenen Brief an die Kanzlerin hatten mehr als 60 Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler vor einem "inflationären Gebrauch des Antisemitismus-Begriffs" gewarnt und Klein eine angebliche "Unterdrückung" kritischer Meinungen und die Unterstützung rechtspopulistischer israelischer Stimmen vorgeworfen. Damit lenke er "die Aufmerksamkeit von realen antisemitischen Gesinnungen und Ausschreitungen ab, die jüdisches Leben in Deutschland tatsächlich gefährden". Zu den Unterzeichnern gehören die Historiker Wolfgang Benz und Moshe Zimmermann und die Autoren Christoph Hein und Sten Nadolny. Der Historiker Michael Wolffsohn dagegen sagte der Jüdischen Allgemeinen über Klein: "Anders als die Schönredner vom Dienst lässt er nicht nur nette Worte niederregnen, er lässt den Worten Taten folgen." Dass hierzulande Meinungsfreiheit und "Israelkritik" unterdrückt würden, sei ein "Hirngespinst". Klein leiste "großartige Arbeit", so Wolffsohn. "Er erfüllt seinen Auftrag, gegen Antisemitismus vorzugehen und nicht nur Phrasen zu dreschen."

In Richtung der 60 Unterzeichner des offenen Briefes sagte Wolffsohn: "Ob sie es wollen oder nicht, objektiv werfen die Unterzeichner den wirklichen Kämpfern gegen Judenhass Knüppel zwischen die Beine." Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Uwe Becker, sprach hinsichtlich des offenen Briefs von einem "unerträglichen Einschüchterungsversuch" gegen Felix Klein.

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SZ vom 03.08.2020 / SZ/KNA
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