Antisemitismus an HochschulenAuch der neue Text missfällt den Akademikern

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Viele Studenten protestierten vergangenes Jahr gegen Israels Kriegsführung: propalästinensisches Camp vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.
Viele Studenten protestierten vergangenes Jahr gegen Israels Kriegsführung: propalästinensisches Camp vor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Bundestag verabschiedet eine Resolution, um Judenfeindlichkeit im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb entgegenzutreten. Doch just von dort kommt Kritik.

Nach zahlreichen antisemitischen Vorfällen an deutschen Schulen und Hochschulen hat sich der Bundestag fraktionsübergreifend gegen Judenfeindlichkeit im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb positioniert. Während die einen die Resolution begrüßen, lehnen Vertreter aus der Wissenschaft sie ab. Am späten Mittwochabend hatte das Parlament mit breiter Mehrheit eine von SPD, Union, Grünen und FDP getragene Resolution verabschiedet. Auch die AfD stimmte zu, das BSW stimmte dagegen, die Linke enthielt sich.

Nach dem Hamas-Angriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 war es in Deutschland wiederholt zu einschlägigen Vorfällen und Protesten gekommen, bei denen etwa Hochschulgebäude besetzt wurden.Die Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßte das Papier. Bildungseinrichtungen sollten nicht „zu No-go-Areas für Jüdinnen und Juden oder Freunde Israels werden“. Die Situation sei an vielen Universitäten in den vergangenen eineinhalb Jahren zum Teil unerträglich gewesen. Antisemitismus verstoße gegen die Menschenwürde und die freiheitlich-demokratische Grundordnung, zudem sei er antiwissenschaftlich und gesellschaftszersetzend.

„Mittel, die in autoritären Staaten beliebt sind“

Am Donnerstagmorgen äußerten Forschende deutliche Kritik an der Resolution. Der Direktor der Abteilung Global Governance am Wissenschaftszentrum Berlin, Michael Zürn, sagte, das Papier schränke die Wissenschaftsfreiheit ein und schaffe Einfallstore für politische Einflussnahme. Es sei damit ein Angriff auf die Hochschulautonomie.

Der Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Ralf Michaels, erklärte, das Papier setze „wesentlich auf Mittel, die in autoritären Staaten beliebt sind: Überwachung, Repression, Sicherheitskräfte“. Mit der Resolution werde die Meinungsfreiheit verletzt, die auch in Hochschulen gelte. Auch dass die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zugrunde gelegt werde, kritisierte Michaels. Was Antisemitismus sei, müsse die Wissenschaft selbst definieren.

Auch die Hochschulrektorenkonferenz ist auf Distanz

Die Direktorin des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, Miriam Rürup, sagte, das Papier sei von einem Grundmisstrauen und einem Generalverdacht geprägt. Auch die im November vom Bundestag verabschiedete allgemeinere Antisemitismus-Resolution sei bereits eine „symbolpolitische Beschwichtigung“ gewesen. Rürup warb für differenziertere Instrumente und das Zulassen von Kontroversen.

Die Hochschulrektorenkonferenz hatte sich im Vorhinein ebenfalls gegen die Resolution gewandt und die Freiheit der Wissenschaft sowie die Autonomie der Hochschulen betont. Im Übrigen werde von den Hochschulen schon viel unternommen, um klar gegen Antisemitismus Stellung zu beziehen.

Die jüngste Resolution fordert unter anderem Maßnahmen gegen Israel-Boykotte sowie mehr Unterstützung und Weiterbildung für Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen. Schüler sollten sich mehr mit jüdischem Leben auseinandersetzen und einmal in ihrer Schulzeit eine Gedenkstätte besuchen. Auch solle Sorge dafür getragen werden, dass sich jüdische Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie Lehrende an Hochschulen sicher fühlten.

Der Bundestag stellt mit seinem Papier Forderungen auf und gibt Empfehlungen ab, die aber keine direkte rechtliche Wirkung entfalten. Im November hatte der Bundestag bereits mit einer allgemeiner gehaltenen Resolution seine Haltung gegen Antisemitismus bekräftigt. Dabei ging es unter anderem darum, keine Organisationen und Projekte mehr zu fördern, die Antisemitismus verbreiten oder das Existenzrecht Israels infrage stellen.

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