Süddeutsche Zeitung

Antisemitische Proteste gegen Israel:Reul macht Erdoğan schwere Vorwürfe

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NRW-Innenminister Herbert Reul glaubt, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe Landsleute zu antisemitischen Aktionen in Deutschland angestachelt. Einen Beweis bleibt der CDU-Politiker schuldig.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul hat dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine Mitverantwortung für antisemitische Übergriffe in Deutschland zugewiesen. Es sei "total wahrscheinlich," dass Erdoğans scharfe Kritik an Israel dazu beigetragen habe, dass türkischstämmige Menschen in den vergangenen zehn Tagen an Protesten in westdeutschen Städten teilgenommen hätten. "Das wette ich", sagte Reul am Donnerstag im Innenausschuss des NRW-Landtags, "das kann ich aber nicht beweisen."

Zuvor hatte Reul erneut geschildert, wie am frühen Mittwochabend voriger Woche eine Gruppe von ungefähr einhundert Menschen zur Synagoge in der Innenstadt von Gelsenkirchen gezogen war. Dieser "antisemitische Mob", so Reul, habe an jenem 12. Mai palästinensische und türkische Fahnen geschwenkt und judenfeindliche Sprechchöre skandiert. Eine Polizeikette habe die Menge gerade noch rechtzeitig daran gehindert, zur Synagoge vorzudringen. Erdoğan hatte am gleichen Tag erklärt, man solle Israel eine "starke und abschreckende Lektion" erteilen. Wenige Tage zuvor hatte er Israel einen "Terrorstaat" genannt.

Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden haben vom 10. bis 18. Mai 62 "Sachverhalte" mit antisemitischem Bezug gezählt, darunter Beleidigungen, Bedrohungen oder das Verbrennen israelischer Fahnen. Von 111 Tatverdächtigen, so ein Ministerialbeamter, seien inzwischen 36 namentlich identifiziert, die meisten kämen "aus dem arabischstämmigen Raum".

Reul warnte vor "merkwürdigen Allianzen" antisemitischer Gruppen: So würden Zuwanderer aus dem Irak oder Syrien "gemeinsame Sache machen" mit rechtsextremen "Grauen Wölfen" aus der Türkei, Islamisten mit Migrationshintergrund seien ebenso dabei wie deutsche Rechtsextremisten. Was sie alle eine, so Reul, sei "ein tiefer Judenhass."

Reul: Polizei kann nicht jede Fahnenverbrennung verhindern

Im Plenum des Landtags versicherten Sprecher aller Parteien jüdischen Mitbürgern Schutz und Sicherheit. Regierungschef Armin Laschet wies in der Debatte Vorwürfe der AfD zurück, die etablierten Parteien würden Übergriffe von Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund ausblenden: Neben einem Antisemitismus von rechts und links gebe es "auch einen Antisemitismus von Eingewanderten", sagte der Ministerpräsident.

Nur solle niemand so tun, als sei der Judenhass ein Migrationsproblem: "Er war in Deutschland immer da." Laschet verwies auf Kriminalstatistiken, wonach 90 Prozent aller antisemitischen Straftaten von Rechtsextremisten begangen wurden.

Innenminister Reul räumte in der Debatte ein, die Polizei werde nicht zu jeder Zeit jede israelische Fahne im Land schützen können: "Wenn die Fahne verbrannt wird, dann ist sie verbrannt - dann wird die nächste aufgehängt." Jede Stadt solle am besten zehn in Reserve halten: "Aber wir werden sie nicht runternehmen!"

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