Süddeutsche Zeitung

Antisemitismus:Mehr Straftaten gegen Juden

Die politisch motivierte Kriminalität nahm 2019 im Vergleich zu 2018 um 14 Prozent zu. Antisemitische Straftaten stiegen um 13 Prozent.

Die Zahl der Straftaten gegenüber Juden in Deutschland ist im vergangenen Jahr um 13 Prozent gestiegen. Das berichtet die Welt am Sonntag unter Berufung auf den Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag in Berlin vorstellen will.

Dem Blatt zufolge wurden im Jahr 2019 bundesweit rund 2000 antisemitische Taten gegen Personen und Einrichtungen registriert, 201 mehr als im Jahr davor. Besonders bedrückend war der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Ein Schütze hatte versucht, in das Gebäude einzudringen, scheiterte jedoch. Daraufhin richtete er seine Waffe gegen Passanten und schoss auf einen Dönerimbiss. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben.

Insgesamt habe die politisch motivierte Kriminalität nach zwei Jahren wieder zugenommen, um 14 Prozent auf rund 41 000 Taten. 2018 waren es 36 062 Taten gewesen. Dem Bericht zufolge wurden rund 22 000 Vergehen Tätern zugeordnet, die politisch der rechten Szene angehören - das entspreche einem Anstieg um neun Prozent. Häufig habe es sich dabei um Propagandadelikte wie Hakenkreuzschmierereien gehandelt. Bei politisch motivierter Kriminalität aus dem linken Milieu gab es eine Zunahme um rund 24 Prozent auf fast 10 000 Taten (2018: 7961 Taten).

Im Glauben, es sei gesellschaftlich akzeptiert, werden Täter schneller gewalttätig

Während die Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsheime auf "einem relativ niedrigen Niveau" geblieben seien, habe sich die Hasskriminalität im Netz zu einem neuen Schwerpunkt entwickelt. In einigen Bundesländern sei der Zuwachs bei politischen Straftaten überproportional hoch. Rekordwerte gebe es in Thüringen (plus 40 Prozent) und Brandenburg (plus 52,5 Prozent). Der Gewerkschaft der Polizei zufolge gehen politisch motivierte Straftäter immer radikaler vor. Die Hemmschwelle für Gewalt sei gesunken, sagte der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Radek: "Man wird schneller gewalttätig als Ausdruck gestiegener Selbstsicherheit, weil man glaubt, dass dies gesellschaftlich akzeptiert wird."

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei sagte, man befinde sich "auf einem der höchsten Stände seit Einführung der Statistik". Es gebe nicht nur ein massives Problem mit Rechtsextremismus, sondern auch mit Linksextremismus, dessen Brutalität mitunter unterschätzt werde.

Bei Bekanntgabe ähnlicher Zahlen im März hatte der Zentralrat der Juden seine Befürchtungen bestätigt gesehen. Präsident Josef Schuster sagte: "Die Tabubrüche und die sprachliche Enthemmung, die wir allenthalben erleben und die maßgeblich von der AfD befeuert werden, schlagen sich letztlich auch in Taten nieder." Zudem sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. "Viele Betroffene erstatten gar nicht erst Anzeige, weil Ermittlungen häufig eingestellt und nur wenige Täter tatsächlich belangt werden", kritisierte Schuster damals.

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SZ vom 11.05.2020 / KNA/epd
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