Justiz:Staatsräson und Strafrecht

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"From the river to the sea": Diese Parole steht für den Wunsch nach der Beseitigung Israels. Sie gilt seit einer Entscheidung des Innenministeriums im Herbst schon als strafbar. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die Innenministerien von Bund und Ländern wollen Aufrufe zur Beseitigung des Staates Israel unter Strafe stellen. Das Justizministerium reagiert skeptisch.

Von Ronen Steinke, Berlin

Die Innenministerien von Bund und Ländern schlagen vor, das Strafrecht zu verschärfen, um besser gegen antiisraelische Äußerungen vorgehen zu können. Das geht aus einem Briefwechsel zwischen dem Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) und dem Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) hervor, über den der Spiegel berichtet. Schon im vergangenen Dezember hatte die Innenministerkonferenz gefordert zu prüfen, ob eine "zur Friedensstörung geeignete öffentliche Leugnung oder Verneinung des Existenzrechts Israels strafrechtlich besser erfasst werden" könne. Das Ergebnis: Das Bundesinnenministerium fordert nun, bestimmte Formen der Äußerungen gegen Israel, die bislang legal sind, zu kriminalisieren.

Dazu solle, so heißt es aus dem Bundesinnenministerium, der Passus im Strafgesetzbuch zur Volksverhetzung um die Gefährdung "auswärtiger Belange" erweitert werden. "Diese Tatbestandsalternative wäre etwa erfüllt, wenn zu Hass oder Gewalt gegen die Bevölkerung in Israel aufgestachelt würde", schreibt Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke in einem Brief an seine Kollegin Angelika Schlunck im Justizressort. Bislang wird als Volksverhetzung nur bestraft, wer zu Hass oder Gewalt gegen eine Bevölkerungsgruppe im Inland aufstachelt und somit den "öffentlichen Frieden" hierzulande gefährdet. Menschen in anderen Ländern wie etwa Israel fallen nicht unter diesen strafrechtlichen Schutz.

Israel soll im Gesetz nicht genannt werden

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung würde es den Gerichten nun ermöglichen, öffentliche Äußerungen in Deutschland - zum Beispiel auf Demonstrationen - zu bestrafen, wenn diese zum Hass in einer Weise aufstacheln, die "auswärtige Belange" der Republik tangieren. Im Gesetz soll Israel nicht ausdrücklich erwähnt werden. Der Grund: Sonst wäre es verfassungsrechtlich problematisch, so hatten juristische Fachleute bei einer Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages unlängst gewarnt. Man dürfe die Meinungsfreiheit in Deutschland nur mit einem alle Menschen gleich wichtig nehmenden, "allgemeinen Gesetz" einschränken, nicht mit einem Israel-Spezialgesetz.

Dem Vorschlag der Innenministerien zufolge würde es der Interpretation der Gerichte in jedem Einzelfall überlassen bleiben, ob sie wirklich den Schutz von Israelis in Israel als solchen "auswärtigen Belang" interpretieren - oder sogar den Schutz von weiteren Bevölkerungen weltweit, gegen die hierzulande aggressive Wortmeldungen zu verzeichnen sind. Die Vorschrift gegen Volksverhetzung, der Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs, sieht eine Strafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Strafrecht ist Bundesrecht. Zuständig ist das Bundesjustizministerium. Dort allerdings zeigt man sich skeptisch. Handlungsbedarf sei "derzeit nicht" zu erkennen, zitiert der Spiegel aus der Antwort von Justizstaats­sekretärin Schlunck an ihren Kollegen aus dem Innenministerium. Die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten gegen entsprechende Hetze müssten nur "konsequent angewandt werden".

Hetze gegen Jüdinnen und Juden kann schon bestraft werden, sagt Justizminister Buschmann

Eine Sprecherin des Ministeriums bestätigte auf Nachfrage, dass es bei der Haltung bleibt, die Justizminister Buschmann zuletzt im Herbst im Interview mit dem Portal T-online beschrieben hatte. "Sollten sich in der Praxis der Gerichte Lücken auftun, müssen wir sie schließen", hatte Buschmann dort ausgeführt. "Aber wir sollten nicht in Aktionismus verfallen." Für "Hetze gegen Jüdinnen und Juden" oder die "Billigung von Straftaten" gelte: "All das kann schon heute schuldangemessen bestraft werden."

In einem einzelnen Punkt hat Faesers Innenministerium indes ohnehin bereits Fakten geschaffen - auch ohne Mitwirkung des Justizministeriums oder auch des Bundestages. Die Parole "From the river to the sea, Palestine will be free" wurde Anfang November von Faesers Haus per ministerialer Verfügung zu einem Symbol der verbotenen Hamas erklärt. Die Folge ist, dass die Parole nun als Kennzeichen einer terroristischen Organisation gilt - strafbar nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs mit Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft. Es gibt in einzelnen Bundesländern schon erste Strafverfahren deswegen.

Die Parole bedeutet, dass Palästina frei sein soll, und zwar vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer, also auf dem gesamten Gebiet, auf dem sich derzeit auch der Staat Israel erstreckt. Wenn die neuen Vorschläge aus dem Bundesinnenministerium umgesetzt würden, dann würde dies nur der Anfang sein. Dann könnte die Justiz bald auch noch diverse andere Formulierungen verfolgen, in denen sich der Wunsch nach einer Beseitigung des heutigen Staates Israel ausdrückt.

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