Anti-Terror-Gesetze:Alles gut und schön - angeblich

Ein Prüfbericht der Regierung lobt die Wirksamkeit der Anti-Terror-Gesetze - und findet, dass sie sogar noch erweitert werden könnten. Geheimdienste sollen auch auf Schließfächer zugreifen dürfen. Nur die verfassungsrechtlichen Probleme ignoriert der Bericht vollkommen.

Heribert Prantl

Die vom Gesetz geforderte Überprüfung der Anti-Terror-Gesetze hat bisher nur in unzureichender Form stattgefunden. Dies ergibt sich aus einem als vertraulich eingestuften Bericht der Bundesregierung.

Grundsatzurteil zu Datenspeicherung erwartet

Wer telefoniert oder chattet wann mit wem? Wer überweist an wen wieviel Geld? Bei den Anti-Terror-Gesetzen geht es vor allem um Zugriffs- und Eingriffsrechte der Geheimdienste auf Bankkonten und Telekommunikationsdaten - die stark in die Grundrechte eingreifen.

(Foto: dpa)

Dieser Bericht ist zwar umfangreich - er hat 124 Seiten, und ihm liegt noch ein 100-seitiges "Rechtsgutachten" bei. Der Hauptbericht beschäftigt sich aber ausschließlich mit der Effizienz der Gesetze, also mit praktischen Fragen - etwa, ob die Geheimdienste mit den ihnen eingeräumten Kompetenzen erfolgreich umgehen konnten und in welchem Umfang die geheimen Zu- und Eingriffe auf Bankkonten und Telekommunikationsdaten auch praktiziert worden sind. Er kommt zu einem positiven Ergebnis: Die Anwendung der neuen Normen sei "verantwortungsvoll und gezielt erfolgt".

Bei diesen Normen geht es vor allem um geheime Zugriffs- und Eingriffsrechte der drei Geheimdienste auf Bankkonten und Telekommunikationsdaten - auf Daten also, die der Bildung von Personenprofilen dienen: Welche Finanzbeziehungen unterhalten die Überwachten, wohin überweisen sie Geld, wer überweist ihnen was? Mit wem telefonieren, chatten, twittern und mailen sie? Wo bewegen sie sich, wohin reisen sie? Dafür werden etwa die Daten von Fluggesellschaften abgegriffen, wird der Imsi-Catcher eingesetzt, mit dem die Geheimdienste, ohne einen Richter oder eine sonstige Kontrollinstanz einzuschalten, feststellen dürfen, wo sich ein Mobiltelefon befindet.

Es handelt sich dabei, so schreibt der Bericht, "um neue Regelungen und Befugnisse, die der Gesetzgeber aufgrund der veränderten Situation (Anm.: nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001) rasch einführte, ohne dass aus damaliger Sicht die Gesetzesfolgen genau abschätzbar waren." Darum wurden damals die Gesetze befristet - um sie später überprüfen und je nach Ergebnis auslaufen oder länger gelten zu lassen.

Geltungsdauer der Gesetze endet 2012 - oder auch nicht

Die Geltungsdauer der Gesetze wurde schon 2007 einmal verlängert, die neue Verlängerung läuft am 10. Januar 2012 aus. In der Koalition wird darüber gestritten, ob die Laufzeit der Gesetze nun pauschal unbefristet oder noch einmal pauschal befristet verlängert werden soll (das sind die Positionen von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, CSU) - oder ob eine penible Prüfung jedes Gesetzes stattfinden soll (das ist die Position von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP).

Eigentlich sollte die im Gesetz geforderte Evaluierung diese Prüfung leisten. Der Hauptbericht zur Evaluierung wurde im Auftrag der Bundesregierung extern erarbeitet, von der Rambøll-Management GmbH in Hamburg, einem Unternehmen für "wissenschaftliche Methodenberatung". Es hatte im Juni 2009 den Zuschlag erhalten. Die Berater der Firma hatten dann, so steht es im "Evaluierungsbericht" der Firma, "Kontakt" zu den Mitarbeitern des Bundesinnenministeriums und der drei deutschen Geheimdienste. Die Firma hat desweiteren von ihr entwickelte Fragebögen ausgewertet, welche die Geheimdienste zur Beantwortung erhalten hatten.

Die erste Fassung des Berichts, der ausdrücklich "keine verfassungsrechtliche Bewertung" der Anti-Terror-Vorschriften und ihrer Grundrechtseingriffe enthielt, aber alles für wohlgelungen hielt, ging Ende Juni in die interne Abstimmung der Bundesregierung. Es kam zu heftigen Streitigkeiten zwischen dem Innen- und dem Justizministerium.

Geheimdienste sollen auch auf Schließfächer zugreifen können

Daraufhin wurde mit Auftrag vom 30. Dezember 2010 noch ein Jurist, der Staatsrechtler Heinrich Amadeus Wolff von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder gebeten, in sehr kurzer Frist, nämlich bis Ende Februar, eine "verfassungsrechtliche Bewertung" vorzunehmen. Wolff hat vor seiner wissenschaftlichen Laufbahn zwei Jahre als Referent in der Verfassungsabteilung des Bundesinnenministerium gearbeitet. Sein Bericht findet sich nun im Anhang des Evaluierungsberichts.

Der auf dem externen Rambøll-Gutachten beruhende Evaluierungsbericht in der Fassung des Innenministeriums findet nur gute Worte für die Anti-Terror-Gesetze - und kommt zum Ergebnis, dass man alle Gesetze unbefristet und unverändert weiterlaufen lassen und da und dort noch erweitern soll. Zum Beispiel sollen die Geheimdienste nicht nur auf Bankkonten, sondern auch auf Schließfächer zugreifen können. Und: Die Teledienste sollen künftig verpflichtet werden können, über Vertragsabschlüsse auf Internet-Auktionsplattformen Auskunft zu erteilen.

Eine einzige Ausnahme in der großen Evaluations-Laudatio: Die Regelung, welche die Geheimdienste zur "Einholung von Auskünften zu den Umständen des Postverkehrs" berechtigt, könne man, so heißt es, auslaufen lassen.

Die im Bericht registrierten Zahlen bei den einzelnen Maßnahmen sind nicht immer spektakulär: Im Jahr 2009 griff das Bundesamt für Verfassungsschutz auf der Basis von 75 Anordnungen sämtliche Telekommunikationsdaten von 322 Betroffenen ab. Zahlen zu den erfassten Fluggastdaten finden sich im Bericht nicht.

Der Bundesinnenminister erklärte soeben, die Behörden seien der Düsseldorfer Terrorzelle durch die Auswertung von Passagierdaten auf die Spur gekommen. Eindrucksvoll ist die Zahl von Sicherheitsüberprüfungen: In Behörden und in Betrieben, die für "lebenswichtig" gehalten werden, wurden von 2007 bis 2009 insgesamt 64.426 Personen überprüft, und 628 zum Sicherheitsrisiko erklärt. Das heißt: Die Person darf nicht mehr mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden.

Rechtsschutz gegen derlei Maßnahmen gibt es kaum. Das ist auch einer der Hauptkritikpunkte des Rechtsgutachtens von Professor Wolff. Er beginnt das Gutachten mit einer Grundsatzkritik am fehlenden Rechtsschutz: Die umfassenden Auskunftsrechte der Geheimdienste, die tief in die Grundrechte eingreifen, existieren seit 2002 - und waren im Beispielsjahr 2009 Grundlage für mehr als hundert geheimdienstliche Auskunftsanordnungen aller Art.

Trotzdem sei, so Wolff, den Behörden nicht ein einziger Fall bekannt, in dem es zu einer gerichtlichen Überprüfung des Auskunftsverlangens kam. "Die Rechtsschutzquote", so der Staatsrechtler, "liegt damit deutliche unter einem Prozent und das seit Jahren." Diesen Befund mögen, so der Gutachter, die Sicherheitsbehörden aus ihrer Sicht begrüßen, nach der Konzeption des Grundgesetzes sei "dieser Zustand kaum hinnehmbar".

Die Geheimdienste werden üblicherweise von der G-10-Kommission des Bundestags kontrolliert. Bei den Maßnahmen, zu denen die Geheimdienste mit den Anti-Terror-Gesetzen befugt werden, gibt es in weiten Teilen nicht einmal eine Beteiligung dieses Kontrollorgans. Wolff stellt daher fest, "dass außerhalb der Nachrichtendienste und dem zuständigen Ministerium keine Stelle den Vorgang sieht und kontrolliert".

Der "Bericht der Bundesregierung zum Ergebnis der Evaluierung", zusammengestellt vom Bundesministerium des Inneren am 14.3.2011, stellt gleichwohl sinngemäß fest: Alles sei gut und schön. Ob der Gesetzgeber das auch findet, wird sich zeigen.

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