Anti-Piraten-Mission vor Somalia:SPD und Grüne gegen Verfolgung von Piraten auch an Land

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Die EU will härter gegen somalische Piraten vorgehen und mit ihren Truppen nun auch die Küste kontrollieren. Das solle vor allem der Abschreckung dienen. SPD und Grüne unterstützten bisher die Atalanta-Mission, lehnen diese Mandatserweiterung jedoch ab - zu groß sei die Gefahr von Kollateralschäden.

Peter Blechschmidt

Künftige Landoperationen gegen somalische Piraten sollen auf einen Küstenstreifen von zwei Kilometern Breite begrenzt bleiben. Dies geht aus dem neuen, erweiterten Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Mission Atalanta hervor, welches das Bundeskabinett an diesem Mittwoch verabschieden will. Der Bundestag muss das Mandat billigen und soll am 11. Mai abschließend darüber befinden. SPD und Grüne, welche die Atalanta-Beteiligung in der Vergangenheit mitgetragen haben, lehnen die Erweiterung des bisher auf die See begrenzten Operationsraums auf Gebiete an Land ab.

Ein Pirat hält Ausschau nach lukrativen Schiffen aus Europa. Die EU will dies mit dem erweiterten Mandat erschweren und mit ihren Truppen den Küstenstreifen kontrollieren. (Foto: Mohamed Dahir/AFP)

Die Einbeziehung des Küstenstreifens war im März auf EU-Ebene beschlossen worden. Die EU wolle mit der Erweiterung des Operationsraums das "Geschäftsmodell" der somalischen Piraten aktiv stören, heißt es im Mandatsentwurf der Bundesregierung. Bisher hätten sich die Piraten an Land sicher geglaubt. Dieses "Gefühl der Sicherheit an Land" werde nun erschüttert. Dadurch würden die Piraten "zu aufwendigen und kostspieligen Sicherheitsmaßnahmen" gezwungen.

Der derzeitige Kommandeur der Atalanta-Mission, der britische Vizeadmiral Duncan Potts, sagte Ende März im Verteidigungsausschuss des Bundestags, Ziel der Mandatserweiterung sei in erster Linie, einen "psychologischen Effekt" zu erzielen. Man wolle die Piraten einschüchtern und ihnen zeigen, dass sie nicht ungestraft davonkommen.

Nach dem geheim gehaltenen Operationsplan der EU darf, so weit bekannt wurde, nur Infrastruktur der Piraten an Land, also im wesentlichen Boote und Materiallager, zerstört werden. Angriffe sollen nur aus der Luft von Hubschraubern ausgeführt werden, die von den Schiffen der Atalanta-Flotte aus operieren. Die deutsche Marine ist zurzeit mit dem Versorgungsschiff Berlin im Einsatz, das zwei größere Hubschrauber vom Typ Sea King an Bord hat. Es wird Mitte Mai von der Fregatte Bremen abgelöst, die zwei Helikopter Sea Lynx mit ans Horn von Afrika bringt.

Bodentruppen sollen nur zum Einsatz kommen, wenn beispielsweise abgeschossene Helikopterbesatzungen gerettet werden müssten. Genau dies ist aber eine mögliche Situation, vor der Kritiker der Mandatserweiterung warnen. Die Piraten verfügen durchaus über Waffen, mit denen in geringer Höhe fliegende Hubschrauber getroffen werden können.

Für noch größer halten Kritiker die Gefahr, dass Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn etwa Piraten Geiseln als menschliche Schutzschilde in Stellung brächten. Zwar versicherte Admiral Potts den deutschen Parlamentariern, die Aufklärer der EU-Streitkräfte könnten problemlos unterscheiden, ob ein Lagergebäude leer stehe oder benutzt werde. Dennoch sieht der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour da ein Problem. Wie wolle denn die EU Behauptungen von Piraten widerlegen, bei einem Angriff seien Zivilisten getötet worden, wenn sie keine Soldaten zur Sicherung von Beweisen am Boden habe, fragte Nouripour am Dienstag. "Da droht uns eine Propagandaschlacht, bei der wir moralisch nur verlieren können."

Unter anderem deshalb wollen die Grünen laut Nouripour die Mandatserweiterung nicht mittragen. Ob sie das geänderte Mandat dann als Ganzes ablehnen oder sich der Stimme enthalten würden, müsse die Fraktion noch entscheiden. Schließlich halte die Mehrheit der Grünen ja den Atalanta-Einsatz insgesamt für sinnvoll.

Ähnlich ist die Lage bei der SPD. Sie hat bislang in ihrer Mehrheit für Atalanta gestimmt. Doch die Bodenoperationen bereiten den Sozialdemokraten Bauchschmerzen. Ihr Verteidigungsexperte Rainer Arnold kritisierte am Dienstag, dass in dem Mandatsentwurf Angriffe auf Menschen nicht ausdrücklich ausgeschlossen seien, obwohl die Regierung dies im Vorfeld zugesagt habe. "Die Fragen werden nicht weniger", sagte Arnold. "Das Risiko von Kollateralschäden ist beträchtlich."

Die Regierung verweist in ihrem Mandatsantrag darauf, dass die Erfolgsquote der Piraten dank der internationalen Intervention deutlich gesunken sei. Aktuell weiß das Atalanta-Kommando in Northwood bei London von acht Schiffen mit insgesamt 227 Besatzungsmitgliedern, die sich in der Gewalt von Piraten befinden. 2011 hatten Piraten 28 Schiffe mit mehr als 600 Geiseln gekapert. Während die Zahl der entführten Schiffe sinkt, steigen jedoch die von den Piraten erzielten Lösegelder. Nach offiziellen Schätzungen erpressten sie 2011 mindestens 140 Millionen Dollar. Deshalb richte Deutschland auch "spezielle Aufmerksamkeit" auf die "durch Piraterie generierten Finanzströme", verspricht die Regierung nun.

© SZ vom 18.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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