Anti-Missbrauchs-Konferenz:Es reicht nicht. Amen

Ein Anfang, nicht mehr. Auf eine Jahrtausendkrise muss die katholische Kirche mit einer Jahrtausendreform antworten. Das Treffen im Vatikan bringt diese Antwort aber noch nicht. Die alten Machtstrukturen müssen überwunden werden.

Von Heribert Prantl

Papst Franziskus müht sich sehr; er ist guten Willens. Viele seiner Bischöfe sind es auch; sie sind zerknirscht, sie sind demütig; aber nicht alle sind es und manche sind es erst geworden, als es nicht mehr anders ging angesichts der ungeheueren Dimension der Verbrechen, die man als lässliche Sünden nicht mehr wegschieben konnte. Die Taten waren nie lässlich, sie waren immer ungeheuerlich; sie waren und sind auch ein ungeheuerlicher Missbrauch des Vertrauens der Gläubigen. Viele Christen fühlen sich um ihre spirituelle Heimat betrogen - auch deswegen, weil das Selbstmitleid der Kirche sehr viel größer war als ihr Mitleid mit den Opfern. Diese Zeit hat Papst Franziskus mit eindringlichen Worten beendet. Aber das reicht nicht.

Es genügt ja nicht, eine Konferenz abzuhalten und eine bußfertige Rede an den Schluss zu setzen. Die Krise ist zu groß, der Skandal überall, die sexuelle Gewalt von Priestern urbi et orbi. Die ewige Vertuscherei, die der Papst nun so verdammt hat, funktioniert in der modernen Welt nicht mehr. Franziskus weiß, dass nicht der Teufel der Kirche Schmutz ins Gesicht geworfen hat, wie das noch sein Vorgänger Benedikt behauptet hat. Um es in der Sprache der Religion zu sagen: Kirchenfunktionäre haben Jesus Schmutz ins Gesicht geworfen. Dieser Schmutz kommt nicht von außen, er kommt von innen. Franziskus ist einer, dem man glaubt, was er sagt. Aber dieser ungewöhnliche Papst und sein Katalog von Maßnahmen kommen zu spät; sie setzen nicht das Signal der großen Umkehr.

Es geht ja nicht um irgendeine Krise. Es geht um eine Jahrtausendkrise. Sie handelt von den Zehntausenden von Priestern, die sich schuldig gemacht haben, sie handelt von Legionen Opfern, die an deren Taten zerbrochen sind. Sie handelt davon, dass die Kirche die Verbrecher als Priester weiter arbeiten und weiter Verbrechen begehen ließ. Die Krise handelt von den beinah mafiosen Strukturen, mit denen man das hindrehte. Die Krise handelt vom Misstrauen, das nun auch die große Mehrzahl der Kleriker trifft, die untadelig ihrer Berufung nachgehen. Die Krise erfasst das Innerste, Leib und Seele der Kirche, sie entwertet den Anspruch, Sitte und Moral zu lehren.

Auf eine Jahrtausendkrise muss die Kirche mit einer Jahrtausendreform antworten

Auf eine Jahrtausendkrise kann man nur mit einer Jahrtausendreform antworten. Ein paar mahnende Papiere reichen da nicht. Die katholische Kirche braucht das, was die Mediziner "restitutio in integrum" nennen - vollständige Ausheilung. Dazu gehört eine kompromisslose Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft in allen Fällen sexueller Gewalt. Dazu gehört die sofortige Öffnung aller einschlägigen Akten und Archive, beginnend beim Vatikan. Dazu gehört die Entlassung aller Priester, die sich sexueller Gewalt schuldig gemacht haben. Dazu gehört eine Abkehr vom zölibatären Zwang; den es nun seit tausend Jahren gibt. Das reicht, das hat viel Unheil angerichtet. Der Zwang diskreditiert auch die Priester, die in freier Entscheidung zölibatär leben wollen; sie haben ein Recht auf ein Leben ohne Verdächtigungen.

Zu den Zeichen des Aufbruchs würde es gehören, mit den alten Machtstrukturen zu brechen. Die Vertreibung der Frauen aus aller Macht, die die Kirche zweitausend Jahre lang betreibt - sie muss ein Ende haben. Es reicht. Die Kirche, ihre engagierten Geistlichen und Gläubigen, brauchen eine gute Zukunft. Es braucht daher ein Konzil, das solche Reformen angeht.

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