Anti-Milizen-Protest in Libyen:Mehr als 40 Tote bei Gefechten in Tripolis

Proteste in Tripolis, Libyen

Demonstration in Tripolis

(Foto: dpa)

Heftige Kämpfe in Libyen: Im Zuge einer Demonstration gegen Milizen sind in Tripolis mindestens 43 Menschen getötet und Hunderte verletzt worden. Die Opferzahlen könnten noch steigen.

Nach den gewaltsamen Zusammenstößen in der libyschen Hauptstadt Tripolis ist die Zahl der Todesopfer auf mehr als 40 gestiegen. Mehr als 400 Menschen seien bei den Ausschreitungen am Freitagabend und in der Nacht verletzt worden, sagte der libysche Justizminister Salah al-Marghani am Samstag. Es sei damit zu rechnen, dass die Opferzahl noch steige.

Eine zunächst friedliche Demonstration Hunderter Libyer gegen eine mächtige Miliz war in blutige Gewalt umgeschlagen. Laut einem Ministeriumssprecher hatten Bewaffnete aus dem Hauptquartier der Misrata-Miliz auf die Demonstranten geschossen. Daraufhin stürmten Mitglieder anderer Milizen die Gebäude und steckten sie in Brand. Die libysche Regierung rief in einer Stellungnahme zum Waffenstillstand auf, "um die Ordnung in der Hauptstadt wiederherstellen zu können". Imame und der Mufti von Tripolis hatten sich zuvor in den Freitagsgebeten hinter die Stadtregierung gestellt und zu den Demonstrationen gegen alle Milizen aufgerufen.

Viele hundert Menschen beteiligten sich. Sie zogen mit weißen Flaggen als Zeichen ihrer Friedfertigkeit sowie mit den Landesflaggen auf die Straße und sangen gemeinsam die Nationalhymne. Vom Meliana-Platz zogen die Demonstranten zum Hauptquartier der besonders berüchtigten Misrata-Miliz im südlichen Stadtteil Gharghur. Aus den belagerten Gebäuden wurden schließlich Schüsse abgefeuert. Zuerst zielten sie in die Luft, schließlich in die Menge, wie ein AFP-Reporter beobachtete.

Der Präsident des Stadtrates, Sadat al-Badri, sagte, die Demonstranten seien unbewaffnet gewesen. Der Rat hatte zu dem Protest aufgerufen. Al-Badri kündigte einen Streik an und eine Kampagne des zivilen Ungehorsams "bis diese Milizen abziehen". Regierungschef Ali Seidan sagte dagegen, bewaffnete Demonstranten seien an den Auseinandersetzungen beteiligt gewesen. Die Sicherheitskräfte hätten nicht eingegriffen, um die Lage "nicht zu komplizieren".

Ein Sprecher der Miliz, die aus der Stadt Misrata östlich von Tripolis stammt, sagte dem Privatsender Al-Naba, die Demonstranten hätten das Feuer eröffnet. Unter die Demonstranten mischten sich nach den ersten Schüssen bewaffnete Mitglieder von in Tripolis beheimateten Milizen. Sie stürmten schließlich das Areal mit mehreren Häusern, in denen sich die Misrata-Milizionäre verschanzt hatten. Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 waren die Milizionäre zunächst als Helden gefeiert worden, doch weigern sie sich seitdem, ihre Waffen abzugeben oder sich in die neuen Sicherheitskräfte einzugliedern. Die Milizen bekämpfen sich auch gegenseitig und widersetzen sich der Aufforderung der schwachen Zentralregierung, die Hauptstadt Tripolis zu verlassen. Im Oktober hatten Milizionäre sogar Regierungschef Ali Seidan entführt und einige Stunden lang festgehalten, bevor sie ihn freiließen.

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