Anti-Extremisten-Klausel:Verfassungstreu gegen Rechtsextreme

Initiativen gegen Rechtsextreme müssen für die Verfassungstreue ihrer Partner geradestehen, wenn sie Geld vom Bund bekommen wollen. Die Vereine klagen über den Überprüfungswahn.

Heribert Prantl

Es ist still geworden um den "Aufstand der Anständigen", den Kanzler Gerhard Schröder vor gut zehn Jahren ausgerufen hat - nach dem Brandanschlag gegen die Synagoge in Düsseldorf und der Ermordung eines Deutschafrikaners in Dessau. Die damals begonnen Projekte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt haben aber Rot-Grün und Schwarz-Rot überlebt. Sie werden jetzt von der schwarz-gelben Regierung finanziert: 24 Millionen stehen dafür im Haushalt 2011, plus weitere fünf Millionen für Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus.

Demonstration gegen NPD-Kundgebung

Teilnehmer des Hamburger Bündnisses gegen Rechts beim Protest gegen eine Kundgebung der NPD in Hamburg-Harburg im Januar. Vereine, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, müssen künftig eine "Verfassungstreueklausel" unterzeichnen, mit der sie gleichzeitig für ihre Partner geradestehen.

(Foto: dpa)

Mit diesem Geld ist ein breites Netzwerk von Projekten und Initiativen entstanden. Eine Gruppe namens Akubiz in Pirna gehört dazu - ausgeschrieben heißt das "Aktionskreis Kultur- und Bildungszentrum". Und die jungen Leute dieses Vereins haben sich mit den Neonazi-Strukturen in ihrer Heimat so erfolgreich auseinandergesetzt, dass sie drei Jahre hintereinander von der Bundesregierung mit dem Preis "Botschafter der Toleranz" ausgezeichnet worden sind.

Als sie 2010 auch noch den "Sächsischen Förderpreis für Demokratie" erhalten sollten, kam es zum Eklat. Das Innenministerium in Dresden legte den Preisträgern eine Erklärung zur Unterschrift vor: "Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekennen und eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit leisten."

Das war ein etwas eigenartiges Ansinnen - denn gerade für diese förderliche Arbeit sollten die Leute ja ausgezeichnet werden. Aber das war noch nicht alles: Im weiteren Text der Erklärung sollten sie sich auch noch verpflichten und bekennen, "auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen", dass alle Personen und Institutionen, mit denen sie zusammenarbeiten, auch auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Die Preisträger wunderten sich über so viel Misstrauen, lehnten die Unterschrift und damit den Preis ab.

Keine sächsische Posse

Das Ganze erschien zunächst wie eine sächsische Posse - es war aber keine. Das Formular mit der Anti-Extremisten-Klausel hatte nämlich nicht die sächsische Bürokratie erfunden, sondern die Bundesregierung: Es war das erste Muster einer Klausel, die nun jeder Verein und jede Initiative unterschreiben müssen, wenn sie Geld aus den Millionen-Programmen des Bundes haben wollen, die jetzt "Toleranz fördern" und "Demokratie stärken" heißen.

Die Formulierungen der "Verfassungstreueklausel" wurden im Familien- und Jugendministerium der Ministerin Kristina Schröder (CDU) erfunden - die zugleich die Devise ausgegeben hat: ohne Unterschrift kein Geld. Die meisten Vereine und Projektträger haben protestierend unterschrieben - sie hätten ansonsten ihre Arbeit einstellen müssen.

Dass die Vereine für sich selbst eine solche Erklärung abgeben sollen, mag Christian Petry vom "Bündnis für Demokratie und Toleranz" akzeptieren. Aber dass man für jeden Organisationspartner und jeden Referenten geradestehen soll - das gehe zu weit. Er befürchtet: Die Initiativen sollen gegängelt werden; wenn die das nicht mitmachen, dann wird das Fördergeld nicht genehmigt oder es wird zurückgefordert - mit der Folge: Der Träger des Projekts geht pleite.

Massiv erschwerte Arbeit

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin, hat notgedrungen die Anti-Extremisten-Klausel unterzeichnet; sie klagt aber über einen bürokratischen "Überprüfungswahn", der die Arbeit massiv erschwere: "Die zuständigen Ministerien verlangen, dass wir über unsere Partner - mit denen wir zum Teil schon lange zusammenarbeiten - Erkundigungen einholen, sie verfassungsschützerisch durchleuchten, Dossiers darüber anlegen, ob und wie wir es getan haben, um sie bei Nachfrage vorlegen zu können." Sie spricht daher nicht von einer Verfassungstreueklausel, sondern von einer "Bespitzelungsklausel".

Hermann Kues (CDU), der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, kann die Aufregung nicht verstehen. Man müsse schließlich verhindern, "dass extremistische Organisationen von uns unterstützt werden". Es gibt offensichtlich die Sorge, dass bei der Finanzierung der Arbeit gegen Neonazis Leute unterstützt werden, die zu weit links stehen. Ministerin Schröder hat wiederholt vor "einer Tendenz zur Verharmlosung von Linksextremismus" gewarnt. In einem vierseitigen Merkblatt des Ministeriums heißt es auch, dass "Zuwendungsempfänger" sich vorsehen müssen, wenn sie mit der Partei Die Linke zusammenarbeiten.

Ein wenig erinnert die ganze Geschichte an den Radikalenerlass des Jahres 1972. Danach war es für viele Jahre so: Wer als Postbote, Lokomotivführer oder Polizist nicht hinreichend Gewähr bot für seine Treue zu Staat und Verfassung, der konnte nicht Beamter werden - und wenn er es schon war, wurde er entlassen. Die Klausel hat, darüber sind sich heute auch die einig, die sie damals für notwendig gehalten haben, mehr geschadet als genützt: Die Praxis trug dazu bei, dass eine ganze Generation auf Distanz zum Staat ging.

Der Staatsrechtler Ulrich Battis nennt in einem Gutachten die neue Klausel kontraproduktiv: Sie laufe "dem Ziel der Demokratiestärkung zuwider".

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