Süddeutsche Zeitung

Ansgar Hevelings Angriff auf das Internet:"Völlig wahnsinnige Kriegsrhetorik"

Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling hat es mit seinem Netz-Bashing zu ungeahnter Berühmtheit gebracht. Was ihn da geritten hat, können sich seine Bundestags-Kollegen auch nicht richtig erklären. Heveling findet nicht, dass er irgendetwas zurückzunehmen hätte.

Thorsten Denkler und Oliver Das Gupta

Bis vor einer Woche war ein gewisser Ansgar Heveling noch ein weitgehend unbekannter Hinterbank-Politiker der CDU. Ein Aufsatz im Handelsblatt hat ihn Anfang der Woche zur Berühmtheit gemacht.

Als Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Bundestages wetterte er im Brachial-Stil gegen die gesamte Netzgemeinde. "Ihr werdet den Kampf verlieren!", donnerte er los, als wäre Zeus höchst selbst hinabgestiegen vom Olymp ins Reich der bösen Bits und Bytes. Der Christdemokrat sprach von "digitalen Horden" nach deren Abzug sich aus dem "Schlachtennebel nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken".

Vom "Clash of Civilizations", einer Schlacht wie beim "Endkampf um Mittelerde" schwadronierte er und geißelte die "unheilige Allianz" aus "digitalen Maoisten und kapitalstarken Monopolisten".

Der Shitstorm gegen den 39-Jährigen Juristen ließ nicht lange auf sich warten. Auf Twitter (#hevelingfacts), auf Facebook, überall brach eine Welle der Empörung los. Hacker knackten seine Website und schrieben dort: "Hiermit möchte ich meinen Austritt aus der CDU öffentlich machen."

Heveling spricht von "Waffenstillstand"

Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin und selbsternannte Netzaktivistin Dorothee Bär legte ihm gar den Rückzug aus der Politik nahe, weil Heveling offenbar nicht verstanden habe, dass es in der Politik um das Lösen von Problemen gehe. Nicht um Krieg.

Angeblich habe sich Bär bei ihm dafür inzwischen entschuldigt, erklärte Heveling jetzt der Rheinischen Post. Sie habe ihm einen "Waffenstillstand" angeboten. Was insofern eine bemerkenswerte Wortwahl ist, als dass Bär ja gerade Hevelings Militärsprache scharf angegriffen hatte. Via Twitter auf den angeblichen "Waffenstillstand" angesprochen reagierte Bär knapp: "Zu falsch zitierten Mailbox-Nachrichten äußere ich mich nicht."

Heveling sieht offenbar keine Veranlassung, seinen Beitrag im Handelsblatt zu relativieren. Der Rheinischen Post sagte er, es erstaune ihn, dass Menschen, die die Beachtung von Grundrechten im Netz forderten, von einigen als Internet- und Freiheitsfeinde verspottet und verdächtigt würden. Er halte im Übrigen eine leidenschaftlich geführte Diskussion über Rechtsmissbrauch im Internet für dringend erforderlich.

"Griff in die Mottenkiste"

Was da in Heveling gefahren ist, können sich auch seine Ausschusskollegen kaum erklären. Die Linke Halina Wawzyniak, Juristin wie Heveling, kennt ihn auch aus dem Rechtsauschuss, wo er sich vernehmlich um das Themengebiet Urheberrecht kümmert. "Ich bin überrascht von diesem Ausfall", sagt sie der Süddeutschen Zeitung. Sie habe Heveling als jemanden kennengelernt, der eher sachbezogene Fachvorträge hält.

Der Grüne Konstantin von Notz sagt der SZ, Heveling habe sich da offenbar "völlig wahnsinnig die Kriegsrhetorik der Verwerter-Lobby zu eigen gemacht". Viele Passagen aus Hevelings Handelsblatt-Beitrag hätten ihn zumindest stark an das erinnert, was er sonst aus dieser Ecke zu hören bekomme.

Für FDP-Mann Jimmy Schulz, ebenfalls in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", hat Heveling tief "in die Mottenkiste gegriffen". Er liege "komplett falsch", sowohl argumentativ als auch mit seiner Wortwahl. Der SZ sagte Schulz, Heveling "scheint überhaupt nicht zu verstehen, dass derzeit eine Revolution im Gange ist, die die Menschheit so nachhaltig verändert, wie der Buchdruck und die Industrialisierung zusammen".

Andere raten zu mehr Gelassenheit. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), schon von Amts wegen mit der Materie vertraut, sagte, sie sei sehr tolerant, was Meinungsäußerungen betrifft. "Nur teile ich die Position von Herrn Heveling nicht und auch nicht seine militärische Sprache, sagte die Liberale zur SZ: "Es gibt keinen Kulturkampf zwischen digitaler Welt und dem realen Leben."

Und Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, twitterte: "Die Kinder bewerfen sich begeistert mit Förmchen und haben einen Riesenspass. Alles i.O.!"

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