Ansgar Heveling:CDU-Abgeordneter sagt "Netzgemeinde" den Kampf an

"Das Web 2.0 wird bald Geschichte sein. Es stellt sich nur die Frage, wie viel digitales Blut vergossen wird." Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling zeichnet in einem Gastkommentar für das "Handelsblatt" ein düsteres Bild eines "Endkampfes" zwischen Internet-Nutzern und -Nichtnutzern. Die politische Konkurrenz spricht von "Plumpheit" und "Schwachsinn". Im Netz wird der Konservative nicht zum ersten Mal zur Spottfigur.

Lilith Volkert und Michael König

Die CDU ist eine internetfreundliche Partei, einerseits. Sie pflegt einen aufwendigen Internetauftritt. Viele CDU-Politiker sind bei Facebook angemeldet. Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der Union im Bundestag, hat mehr als 7000 Follower bei Twitter. Beim Bundesparteitag im November in Leipzig gab es auf Altmaiers Einladung ein Netz- und Twitter-Treffen. Das Netz werde immer wichtiger, sagte Altmaier damals: "Wir denken nicht daran, diese Entwicklung den Grünen und den Piraten zu überlassen."

Anderseits gibt es in der Union Politiker wie Ansgar Heveling. Der Bundestagsabgeordnete aus Korschenbroich bei Mönchengladbach hat eine weniger freundliche Auffassung vom Internet. Oder gar eine feindliche? "Liebe 'Netzgemeinde', ihr werdet den Kampf verlieren", schreibt der Politiker in einem Beitrag für das Handelsblatt. "Das Web 2.0 wird bald Geschichte sein. Es stellt sich nur die Frage, wie viel digitales Blut bis dahin vergossen wird."

In seinem Gastkommentar zeichnet Heveling, der für die Union in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft sitzt, die düstere Vision eines Krieges um die "Werte im Netz" und ruft die "Bürger" zur Verteidigung auf. "Die mediale Schlachtordnung der letzten Tage erweckt den Eindruck, wir seien im dritten Teil von 'Der Herr der digitalen Ringe' angekommen, und der Endkampf um Mittelerde stehe bevor", schreibt Heveling. Das sei die Gelegenheit, "schon jetzt einen vorgezogenen Nachruf auf die Helden von Bits und Bytes, die Kämpfer von 0 und 1 zu formulieren."

Weiter heißt es: "Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der digitalen Horden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. Also, Bürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unsere bürgerliche Gesellschaft auch im Netz zu verteidigen!"

Im Gespräch mit der SZ nennt Heveling seinen Gastkommentar einen "prononcierten Diskursbeitrag", der nötig gewesen sein, um "einen echten Diskurs über Urheberrechtsfragen" zu intensivieren. Die bisherige Diskussion sei "einseitig und beengt", kritisiert Heveling: "Man muss die unterschiedlichen Seiten sehen."

Nicht das Internet selbst werde verschwinden, präzisiert Heveling, "aber die Geisteshaltung, die hinter dem Web 2.0 steht, wird meiner Meinung nach bald abgelöst werden." Auf die Nachfrage, welche Geisteshaltung gemeint sei, sagt der Politiker: "Das Web 2.0 taugt nicht für Lebensentwürfe."

Es ist nicht das erste Mal, dass der Politiker derart netzkritisch in Erscheinung tritt. Gemeinsam mit Günter Krings, dem stellvertretenden Fraktionschef der CDU im Bundestag, hatte der Politiker am 25. Januar eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der er sich für die amerikanische SOPA-Gesetzesinitiative ausgesprochen hatte. Der "Stop Online Piracy Act" sieht bei Verstößen gegen das Urheberrecht unter anderem Netzsperren vor und wird deshalb von vielen Politikern und Netzaktivisten abgelehnt. Mehrere Unionspolitiker distanzierten sich von der Pressemitteilung.

"Solche Plumpheit ärgert mich"

Aus Protest gegen SOPA hatten die Betreiber des englischsprachigen Online-Lexikons Wikipedia ihre Seite für einen Tag abgeschaltet, die Suchmaschine Google versah ihr Logo mit einem schwarzen Zensurbalken. Heveling schreibt nun in seinem Beitrag, Wikipedia und Google hätten "ihren starken Arm gezeigt". Doch das Wissen der Welt liege immer noch in den Köpfen der Menschen. "Also, Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx. Am besten aus einem gebundenen Buch!"

Im Internet erntet der Politiker mit seinem martialischen Aufruf Häme und Wut. "#Heveling will die CDU endgültig von jungen Wählern befreien. Die subliminale Botschaft: sucht Euch schleunigst eine andere Partei", schreibt JensWuerfel. Die Userin lisseuse kommentiert: "'Verbrannte Erde' als Metapher spricht von sehr ausgeprägtem Geschichtsbewusstsein". Und habichthorn spottet: "Protestmail an #Heveling? Sinnlos. Profis schicken gleich ein Protestfax. #analogepolitiker"

Unter dem Hashtag "#hevelingfacts" machen Witze über das vermeintlich antiquierte Weltbild des Politikers die Runde: "#Heveling sucht noch eine Blaskapelle, um zwölf Mal um die Firewall von Jericho zu ziehen", schreibt etwa RoterClaus. Der User emtiu fügt an: "Herr Heveling kann Ihre Anfrage derzeit nicht beantworten, er ist auf dem Weg zu einer Sitzung in der Frankfurter Paulskirche." Und Herr_Rosenfeld spottet: "Achtung die CDU warnt: Windmühlen gefährden die Arbeitsplätze der Mahlsklaven!"

Auch die politische Konkurrenz reagiert kritisch auf Hevelings Beitrag. Der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil, sagte der SZ: "Eine solche Plumpheit ärgert mich." Nachdem er eineinhalb Jahren mit Heveling in der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft zusammengearbeitet habe, "hatte ich gehofft, dass wir weiter sind in der Debatte, dass nicht so eine Spaltung betrieben wird." Die Aussagen des CDU-Kollegen deuteten auf einen "internen Machtkampf" in der Union hin: "zwischen denen, die sich um eine vernünftige Netzpolitik bemühen, und denen, die sich dem Internet völlig verschließen".

Klingbeils Pendant bei den Grünen, Malte Spitz, sagte der SZ, er habe selten solch einen Unsinn von einem Abgeordneten gehört. "Heveling will sich für seine kruden und unsachlichen Ansichten maximale Aufmerksamkeit sichern. Als Rheinländer verwechselt er wohl gerade einen Gastkommentar mit einem schlechten Beitrag zu einer Karnevalssitzung." Man könne sich gerne politisch streiten, findet Spitz, aber blanker Populismus, absurde Thesen und Kriegsrhetorik gehörten außen vor. Die scheidende Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, schrieb bei Twitter, sie habe sich bei der Lektüre "ömmelig gelacht".

Später hatten sich Kritiker Zugang auf die Homepage von Ansgar Heveling verschafft und dort Nachrichten wie "Ich trete aus der CDU aus" und "Es grüßt: Christopher Lauer von der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus" hinterlassen. Schwer scheint das Hacken der Seite nicht gewesen zu sein: Offenbar hatte der Politiker als Benutzername seinen Nachnamen, als Passwort seinen Vornamen gewählt.

Heveling zeigte sich von den Reaktionen auf seinen Beitrag im Gespräch mit der SZ "nicht überrascht": "Die ganze Bandbreite von großer Zustimmung bis totaler Ablehnung, das gehört alles dazu. Ob das dann alles klug formuliert ist, ist eine andere Frage. Aber das berührt mich nicht."

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