Süddeutsche Zeitung

Anschlag von Poway:Hass auf Juden

Eine Tote und drei Verletzte - das ist, so makaber es klingen mag, Alltag in Amerika. Doch der politische Hintergrund unterscheidet den Anschlag von Poway von den vielen anderen Massenschießereien.

Von Hubert Wetzel, Washington

Pittsburgh, Christchurch und jetzt Poway, Kalifornien - das ist inzwischen die Liste jener Orte, an denen Rechtsradikale betende Menschen ermordet haben. In Pittsburgh waren es im Oktober vergangenen Jahres Juden in einer Synagoge, im neuseeländischen Christchurch waren es in diesem März Muslime in einer Moschee. In Poway waren am Wochenende wiederum Juden die Opfer, die sich am Sabbat versammelt hatten, um das Ende des Pessachfests zu feiern. Auch die Stadt Charleston gehört auf die Liste, wo im Juni 2015 ein junger weißer Rassist eine schwarze Kirche überfiel und Teilnehmer einer Bibelstunde ermordete.

Gemein ist den jüngsten Attentaten, dass sie von Rechtsradikalen verübt werden, die jeweils durch die vorausgegangene Tat zu ihrer eigenen angetrieben wurden. Bei dem 19 Jahre alten Studenten John E., der am Samstag die Synagoge in Poway stürmte und antisemitische Parolen brüllte, bevor er zu schießen begann, ist das offensichtlich. In einem offenbar von ihm verfassten rassistischen Manifest, das die Polizei später im Internet entdeckte, berief er sich ausdrücklich auf die Attentäter von Pittsburgh und Christchurch.

Wie diese Täter kündigte er seinen Angriff auf einem der einschlägigen rechtsradikalen Internetforen an - in seinem Fall bei 8chan - und wurde dort von Gesinnungsgenossen angestachelt. Und wie der Attentäter von Christchurch wollte offenbar auch John E. seinen Angriff in Poway über Facebook live ins Internet übertragen. Dazu kam es aber offenbar nicht, anders als bei der Bluttat in Neuseeland.

Durch diesen politischen Hintergrund unterscheidet sich der Anschlag von Poway von den vielen anderen Massenschießereien, die ständig in den USA passieren. Eine Tote und drei Verletzte, niedergestreckt mit einem Schnellfeuergewehr vom Typ AR-15 - das ist, so makaber es klingen mag, Alltag in Amerika. Im Durchschnitt sterben in den Vereinigten Staaten täglich etwa 100 Menschen durch Schusswaffen, mindestens ebenso viele werden durch Kugeln verwundet. Doch in den meisten Fällen handelt es sich dabei entweder um Selbstmorde, um häusliche Gewalt oder um Auseinandersetzungen im kriminellen Milieu. Bewaffnete Angriffe von Neonazis auf Synagogen sind ein weitgehend neues Phänomen.

Allerdings sind sie keine völlig überraschende Erscheinung. Die Zahl der registrierten "Hass-Verbrechen" - also jener Straftaten, bei denen Hass auf ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheiten die Täter motiviert - ist in den vergangenen Jahren in den USA deutlich gestiegen. Im Jahr 2017 gab es etwa 7100 Straftaten dieser Art, ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2018 hat das FBI noch keine Zahlen veröffentlicht. Zudem dürfte die Dunkelziffer bei Hass-Verbrechen noch weit höher liegen - welche und wie viele Straftaten die lokalen Polizeibehörden in dieser Kategorie nach Washington melden, ist ihnen überlassen.

Die meisten Opfer von Hass-Verbrechen in den USA sind nach wie vor Schwarze. Bei den Verbrechen, die aus vermeintlich religiösen Motiven begangen werden, sind die Betroffenen jedoch zu zwei Dritteln Juden. Die Bandbreite reicht von Hakenkreuzschmierereien über die Schändung jüdischer Friedhöfe bis hin zu Angriffen wie dem in Pittsburgh.

Manche Beobachter machen US-Präsident Donald Trump für den Anstieg der Zahl an Hass-Verbrechen verantwortlich. Durch sein spalterisches und nationalistisches Gerede, das sich zuweilen hart an der Grenze zum Rassismus bewegt, zumindest wenn er über illegale Einwanderer aus Lateinamerika spricht, ermutige er die Täter, so die Argumentation. Das Weiße Haus weist diese Vorwürfe weit von sich.

Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass Trump Antisemit ist. Auf den Anschlag in Poway reagierte er wie alle Politiker mit Entsetzen und Beileidsbekundungen. Einige konservative Kommentatoren warfen zudem den Demokraten vor, den Hass gegen Juden zu schüren, da sie die muslimische Abgeordnete Ilhan Omar in ihren Reihen duldeten. Omar war in der Vergangenheit mit Äußerungen aufgefallen, die zumindest antisemitische Untertöne hatten.

Andererseits ist es eine gut belegte Tatsache, dass Trumps Wahlsieg in rechten Kreisen in den USA mit Jubel begrüßt wurde. Und bisher hat der Präsident es nicht geschafft, sich offen und klar vom ganz rechten Rand zu distanzieren - ob aus Unwillen oder Unfähigkeit sei dahingestellt. Erst vor wenigen Tagen war Trumps Reaktion auf den Aufmarsch von Neonazis und Rassisten in Charlottesville im Sommer 2017 wieder ein Gesprächsthema. Trump hatte damals gesagt, dass unter den rechten Demonstranten auch "sehr gute Menschen" gewesen seien.

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SZ vom 29.04.2019
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