Süddeutsche Zeitung

Naher Osten:Attentate befeuern Sorge vor neuer Gewalt

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Die Vereinten Nationen rufen zu "äußerster Zurückhaltung" auf, die USA und Deutschland betonen ihre Solidarität gegenüber Israel. Dort bereitet man sich auf eine mögliche Eskalation vor.

Nach zwei Anschlägen in Ost-Jerusalem wächst im Ausland die Sorge vor einer Gewaltspirale im Nahen Osten. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich in einer Reaktion besorgt über die Lage in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten und rief zu "äußerster Zurückhaltung" auf. "Die Spirale der Gewalt, die in diesem Jahr bereits zu viele Opfer auf beiden Seiten gefordert hat, darf sich nicht weiterdrehen", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. "Mehr denn je bedarf es der Zusammenarbeit und des Dialogs zwischen Israel und den palästinensischen Behörden, um dem Terror den Boden zu entziehen."

Ein Mann hatte am Freitagabend in Ost-Jerusalem auf Menschen gefeuert, die nach dem Schabbat-Gebet gerade eine Synagoge verließen. Sieben Menschen starben, weitere wurden verletzt; der Angreifer wurde nach kurzer Zeit von der Polizei erschossen. Der Stabschef der israelischen Armee, Herzi Halevi, ordnete daraufhin an, die Einsatzkräfte im besetzten Westjordanland und entlang der israelischen Sperranlage zu verstärken und sich auf eine mögliche Eskalation der Lage vorzubereiten. Am Samstagvormittag folgte eine zweite Attacke in Jerusalem, bei der ein 13-Jähriger zwei Menschen durch Schüsse verletzte.

In einer Dringlichkeitssitzung verurteilte der UN-Sicherheitsrat das Attentat vom Abend einstimmig. Dass es ausgerechnet am Internationalen Holocaust-Gedenktag stattfand, sei "besonders verabscheuungswürdig", sagte Generalsekretär Guterres. Das Auswärtige Amt sprach von einem "Verbrechen, das durch nichts zu rechtfertigen ist".

Die USA betonten ihre Solidarität gegenüber ihrem engen Verbündeten Israel. Präsident Joe Biden habe dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in einem Telefonat "alle angemessenen Mittel der Unterstützung" angeboten, teilte das Weiße Haus mit. US-Außenminister Antony Blinken, der in Kürze nach Israel und Jordanien reisen will, sagte, die USA bekräftigten ihr "unerschütterliches Engagement für Israels Sicherheit". Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich in einem Tweet "zutiefst" erschüttert zeigte: "Es hat Tote und Verletzte im Herzen Israels gegeben. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien - Deutschland steht an Israels Seite."

Radikale Islamisten feiern die Tat, arabische Regierung rufen zu einem Ende der Gewalt auf

In Israel selbst mahnte Ministerpräsident Netanjahu die Menschen dazu, "das Gesetz nicht in die eigenen Hände zu nehmen". Er kündigte für Samstagabend eine Sitzung des Sicherheitskabinetts an. Der neue und umstrittene Minister für nationale Sicherheit, der Rechtsradikale Itamar Ben-Gvir, forderte bei einem Besuch am Anschlagsort, die israelischen Waffengesetze zu überarbeiten. Mehr Bürger sollten die Möglichkeit haben, Waffen zu tragen, um sich vor Anschlägen zu schützen, sagte er laut Medienberichten.

Die im Gazastreifen regierende radikalislamische Hamas feierte den Angreifer und seine Attacke, auch die radikale Gruppe Islamischer Dschihad und die von Iran unterstützte Hisbollah-Miliz begrüßten den Anschlag. In Gaza feierten Menschen in den Straßen und schossen in die Luft, im Westjordanland hupten Autos und Feuerwerk wurde gezündet. Die Hamas wertete den Anschlag als Vergeltung für das Vorgehen der israelischen Armee in der Stadt Dschenin am Donnerstag - dort wurden bei Zusammenstößen mit israelischen Soldaten neun Palästinenser getötet und 20 weitere verletzt. So viele Todesopfer hatte es bei einem derartigen Einsatz seit Jahren nicht mehr gegeben. Wie die Tageszeitung Haaretz berichtete, schossen in der Nacht auf Samstag nahe der Stadt Beita im Westjordanland zwei Israelis auf Palästinenser, nachdem diese mit Steinen geworfen hatten. Nach palästinensischen Angaben wurden drei Menschen verletzt.

Das Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate hingegen verurteilte in einer Erklärung "den kriminellen Akt auf das Schärfste". Alle Formen von Gewalt und Terrorismus, die darauf abzielten, "die Sicherheit und Stabilität zu untergraben und gegen die menschlichen Werte und Prinzipien verstoßen", seien abzulehnen. Das jordanische Außenministerium rief dazu auf, die Gewalteskalation zu stoppen. Sie drohe andernfalls, "sich zu einem Zyklus der Gewalt zu entwickeln", für den "alle den Preis zahlen", heißt es laut Bericht der staatlichen jordanischen Nachrichtenagentur Petra in einer Stellungnahme.

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