Anschlag in Salzhemmendorf:"Wir haben über Hitler geredet, dass der ganz gut wäre"

Prozess Brandanschlag Salzhemmendorf

Brandstifter und Feuerwehrmann: Der Angeklagte Sascha D. vor dem Landgericht Hannover.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Den Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Salzhemmendorf geben die drei Angeklagten zu. Nur rechtsradikal, das wollen sie nicht sein. Der Prozess in Hannover zeigt etwas anderes.

Von Annette Ramelsberger, Hannover

Wie sagt die Nachbarin in der Siedlung: "Wenn man fünf Minuten nach 22 Uhr bei uns noch atmet, ruft gleich einer die Polizei." Es ist eine ruhige Gegend in Salzhemmendorf bei Hameln. Lauter Einfamilienhäuser, Vorgärten, die Gehsteige gewienert.

Im Haus gegenüber wohnt die Familie L., Sohn Dennis ist 31 Jahre alt. Ein netter Kerl. Angler. Gibt dem Sohn seines Freundes Nachhilfe. In der Garage hat er mit seinen Freunden gern mal gefeiert. Mit Bier, mit Schnaps. Er vertrug viel, war aber immer pünktlich in der Arbeit. Um 6.45 Uhr ging es dort los. Er war um 6.40 Uhr da. Auch am Morgen des 28. August.

Sascha D. ist sein Freund. Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, Autobastler, 25 Jahre alt. Am frühen Morgen des 28. August löschte er bis um 3.30 Uhr einen Brand. Dann holte er noch die Einkäufe für seinen Vater und dessen Familie aus dem Auto und legte sich schlafen.

Saskia B., 24, Hausfrau, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, hat an dem Abend mit Dennis und Sascha gefeiert. Sie hat Sascha zum Feuerwehreinsatz gefahren, auf ihn gewartet und sich dann schlafen gelegt. Dennis wünschte sie per Whatsapp noch "Gute Nacht und süße Träume".

Nette Leute, hilfsbereit, schwärmen die Kollegen. Lustig, sagen die Freunde. Herzensgut, sagt Saskia über Sascha. Ein guter Junge, sagt die Mutter über Dennis.

Erst der Anschlag, dann die Arbeit

Bevor Dennis pünktlich zur Arbeit erschien, bevor Sascha mit Atemschutz einen Brand löschte und bevor Saskia "süße Träume" wünschte, hatten die drei einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim begangen. Sie stopften Sägespäne in eine Schnapsflasche, ließen Öl aus der Heizung ab und gossen den Cocktail damit auf. Sie warfen ihn in ein Kinderzimmer im Flüchtlingsheim, Sterne klebten am Fenster, man konnte erkennen, wer da wohnte.

Schnell entwickelte sich schwarzer Rauch, die Deckenverkleidung schmolz und tropfte herunter. "Es reichen zwei, drei Atemzüge, bis es gefährlich wird", sagt der Brandsachverständige. Nur weil der elfjährige Alwin, der normalerweise dort schlief, in dieser Nacht bei seiner Mutter im Nachbarzimmer war, wurde er nicht verletzt. Die Familie floh durch ein Fenster.

Alle drei haben die Tat zugegeben. Dennis L. hat den Brandsatz geworfen. Er bereue dies sehr, sagt sein Anwalt. Er könne sich nicht mehr wirklich identifizieren damit. Und es sei nur der Alkohol schuld, dass er so ausgerastet sei. Anwalt Roman von Alvensleben setzt die Tat in einen größeren Zusammenhang: Es gebe nun mal jene "Wutbürger", die sich hilflos fühlten, wenn Fremde in ihr Dorf kämen, die nicht damit umgehen könnten. Er habe "ein Stück weit Verständnis für den Angeklagten".

Und er rechnet vor: Immerhin habe es 2015 mehr als tausend Anschläge auf Asylbewerberheime gegeben. Als ob Brandanschläge auf Flüchtlinge ein Massenphänomen wären, zu dem man sich unter Alkohol schon mal hinreißen lässt. Wie Autofahren mit drei Bier zu viel. In Wirklichkeit, sagt Alvensleben, sei sein Mandant ein höflicher junger Mann. Das Ganze müsse ein Ausrutscher gewesen sein.

War es nur der Alkohol?

Das ist am ersten Prozesstag. Die drei Angeklagten geben sich zerknirscht, lassen ihre Anwälte sprechen, entschuldigen sich bei den Opfern. Es war der Alkohol, nichts als der Alkohol. Sonst schweigen sie.

Dann kommt der zweite Tag. Florian R. tritt in den Zeugenstand, ein schmaler 16-Jähriger, fast noch ein Kind. Zwei Tage vor dem Anschlag schreibt er seinem großen Freund Dennis, vor dem Asylbewerberheim liefen "so Paselacken" rum, das bedeutet Abschaum. Die Antwort von Dennis: "Schmeiß mit Pflastersteine." Florian simst zurück: "Hab nur Blei." Plus zwei Smileys. Darauf Dennis: "Geht auch." Und eine geballte Faust. Florian macht sich Gedanken, dass die frühere Schule im Ort ein Flüchtlingsheim wird und schreibt: "Ich bete drum das die abgefackelt wird."

Am Tag nach dem Anschlag schickt er Dennis eine weitere Mail. Ein Foto mit dem ausgebrannten Kinderzimmer. Dazu der Kommentar: "Hohohoo". Er weiß noch nicht, dass sein Freund die Tat begangen hat. Der Mann, der den Brandsatz warf, schreibt zurück: "Da hat wohl einer zu heiß gefurzt von den Schwattköppen."

Gespräche über Hitler, Tattoos mit Runen

"Warum kommen Sie auf die Idee, mit Dennis L. so eine Kommunikation zu führen?", fragt der Richter. "Er hat mir bei den Hausaufgaben geholfen", sagt der Junge. "Haben Sie gedacht, dass er das witzig findet?", fragt der Richter. Der Junge nickt heftig. "Welche Musik hörten Sie zusammen?" - "Kategorie C, Gigi und die braunen Stadtmusikanten", sagt der Junge. Diese Band hat das "Dönerkiller"-Lied gesungen, das die Morde des NSU glorifiziert.

Über was sie geredet hätten, fragt der Richter. "Wir haben über Hitler geredet, dass der ganz gut wäre." Ob sie über Menschen gesprochen hätten, die anders aussähen? "Dass nicht so viele reinkommen sollen, weil die Einbrüche in der Gegend steigen", sagt Florian R. "Was hätte Hitler nach Dennis' Überzeugung besser gemacht?" - "Er hätte sie weggeschickt." Und wie? "Ich denk mal, getötet." Und was hat Dennis dazu gesagt?", fragt der Richter. "Er will sie brennen sehen."

Dann kommt der Zeuge Robert S., dick, kurze Haare, bis vor Kurzem Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr. Er war mit Dennis und Sascha in einer Whatsapp-Gruppe, die den Namen "Garage Hakenkreuz" trug. Am 16. September 2014 hat Dennis gepostet: "Ich bin der neue Adolf!!! Nix Zyklon B, erhängt wird das Pack!!! Dazu sechs Hakenkreuze." Robert S. postet zurück: "Sieg Heil und fette Beute."

Was diese Kommunikation zu bedeuten habe, will der Richter wissen. "Das war mein Versuch, mit dem rechten Gedankengut zu experimentieren", antwortet Robert S. "Finden Sie das witzig?" Nein, sagt Robert S., er habe gedacht, das bleibe unter ihnen, das komme nicht in die Öffentlichkeit.

Dann kommt Lukas Theune. Der junge Anwalt vertritt Asylbewerber aus dem Haus, in dem der Brandsatz explodierte. Er stellt Fragen, Robert S. stellt sich quer. Welche Musik er höre. "Zum Beispiel Kategorie C. Aber die sind nicht besonders rechts." Ob er wisse, dass der Sänger von Kategorie C an einem Anschlag auf ein Asylbewerberheim beteiligt war? Robert S. schweigt.

"Mein Bruder ist nicht fremdenfeindlich, er hat seine Meinung"

Ob er wisse, dass sein Freund Dennis eine Kundenkarte der Textilfirma Thor Steinar habe, die bei Rechten beliebt sei? Ob er gehört habe, dass sich die Eltern freuten, dass das Kind von Sascha D. schon mit zwei Jahren "Adolf Hitler" sagen konnte? Nein. Der Angeklagte Sascha D. lacht. "Haben Sie das Lied "Kanacke verrecke" von der verbotenen Band Landser gehört?" Kann sein. "Waren Sie am Tag nach dem Anschlag auf der Solidaritätsdemo für die Flüchtlinge?" "Ja", sagt Robert S., "um zu zeigen, dass so was nicht geht."

Dann der dritte Tag: Es kommen die Beamten vom Staatsschutz, welche die Verdächtigen vernommen haben. Wieder fragt Anwalt Theune. Diesmal nach Tätowierungen. Ob Dennis L. welche habe. Bilder davon fehlen in den Akten. Plötzlich zieht der Staatsschützer aus seiner Jacketttasche Bilder von Dennis L.s Tattoos. "Können Sie uns erklären, warum diese Bilder nicht in den Akten sind", fragt der Richter irritiert. Der Beamte weiß es nicht. Aber er hat schöne Farbkopien dabei: Auf Dennis L.s Brust segelt ein Wikingerschiff mit einer germanischen Rune, und auf seinem Oberarm prangt eine Faust mit einem Totenkopfring, wie ihn die SS trug.

Niemand hatte Dennis L. als Rechten im Blick. Aber der Hass war längst eingezogen bei ihm und seinen Freunden. Immer mehr Menschen, die Asylbewerberheime angreifen, gehören nicht zum Kreis bekannter Rechter, sondern zur bürgerlichen Mitte, heißt es in Sicherheitskreisen. "Mein Bruder ist nicht fremdenfeindlich", sagte Dennis L.s Bruder bald nach der Tat im NDR: "Er hat seine Meinung. Die hat jeder dritte oder vierte Deutsche."

Mama scherzt - über den Brandanschlag

Die Polizei befragte auch die junge Mutter Saskia, die ihre Freunde zum Tatort gefahren hat. Sie berichtete: Nachdem Dennis den Brandsatz geworfen hatte, habe er im Auto herzhaft gelacht, und Sascha auch. Dann habe Dennis gesagt: "Wenn hier ein Neger stirbt, dann feiere ich richtig." Dann habe sie Sascha bei der Feuerwehr abgesetzt, damit er den Brand löschen kann, den sie gerade gelegt hatten.

Saskia selbst bekam am Morgen nach der Tat eine Whatsapp-Nachricht von ihrer Mutter, Altenpflegerin, kirchlich engagiert. Die fragte ihre Tochter scherzhaft: "Was habt ihr da angestellt? Molli ins Asylbewerberheim. Ne ne ne." Und dazu ein Smiley, der Tränen lacht. Ein Mordanschlag als guter Witz. Die Tochter schrieb zurück: "Wir haben alle artig Heia gemacht. Aber schadt ja nichts."

Der Sachverständige erklärte, Dennis sei voll steuerungsfähig gewesen, trotz Alkohol. Saskia war ohnehin nüchtern. Die Staatsanwältin hat für Dennis acht, für Sascha sieben und für Saskia vier Jahre und zwei Monate gefordert, wegen versuchten Mordes. Am Donnerstag fällt das Urteil.

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