Schon wieder steht Theresa May vor der schwarzen Tür von Downing Street No. 10. Schon wieder muss die britische Premierministerin dem Vereinigten Königreich und der Welt mitteilen, was sie über den jüngsten Terroranschlag weiß. Erneut, zum dritten Mal in drei Monaten, wurde Großbritannien das Opfer einer "brutalen Terrorattacke", sagt die konservative Politikerin. Eigentlich ist die Zeitspanne noch kürzer: 73 Tage nämlich, knapp zweieinhalb Monate.
Am 24. März mähte Kahlid Masood auf der Londoner Westminister Bridge drei Menschen nieder und erstach einen Polizisten. Am 22. Mai sprengte sich Salman Abedi nach einem Konzert von Ariana Grande in Manchester in die Luft und riss 22 Menschen in den Tod. Und nun, am 3. Juni, steuern drei Terroristen einen Lieferwagen in eine Menschenmenge und stechen mit Messern auf Passanten ein. Mindestens sieben Menschen sterben, Dutzende werden in Krankenhäusern behandelt.
May spricht ruhig und bestimmt, als sie Details der Tat nennt und auch versichert, dass die Parlamentswahl natürlich in vier Tagen abgehalten werde. Die Taten seien nicht isoliert zu betrachten: Es gebe dahinter kein konkretes Netzwerk, aber sie seien verbunden durch die Ideologie des islamistischen Extremismus. Scharf kritisiert May Social-Media-Plattformen, weil diese Extremisten einen Rückzugsraum geben würden. Man werde, so die Ex-Innenministerin, die Anti-Terror-Strategie prüfen und garantieren, dass Polizei und Sicherheitskräfte die nötigen Mittel erhalten.
Diese Reaktion ist verständlich, allerdings hat Großbritannien bereits die schärfsten Überwachungsgesetze Europas. Schon vor Manchester beschäftigten sich Sicherheitsexperten dort - ähnlich wie im Rest Europas - mit der Frage des Wann, nicht des Ob. Seit 2013 zwei Islamisten in London den Soldaten Lee Rigby ermordeten, haben die Behörden mindestens 13 Anschlagsversuche unterbunden - und laut May hat die Polizei seit Ende März "fünf glaubwürdige Terror-Plots" vereitelt. Es gibt jedoch mehrere Gründe, wieso Großbritannien zuletzt so oft von Anschlägen heimgesucht wird.
IS: Dschihadisten in der Heimat, nicht im Kalifat. Seit mindestens zwei Jahren verbreiten die Propagandisten des selbst ernannten "Islamischen Staats", dass Sympathisanten nicht länger nach Syrien oder in den Irak reisen, sondern Anschläge in Europa ausüben sollen. "Die winzigste Aktion, die ihr im Herzen des Westens ausübt, ist uns mehr wert als die größte Aktion hier bei uns", sagte IS-Propaganda-Chef Abu Mohammad al-Adnani kurz vor seinem Tod 2016.
Seither nimmt die Zahl der low key-Angriffe, bei denen Messer oder Fahrzeuge als Waffen benutzt werden deutlich zu: London, Nizza, Stockholm, Berlin. Mögliche Attentäter werden oft via Messengerdienste im Internet geködert, radikalisiert und zu Taten angestiftet, exemplarisch der Fall Anis Amri. Auch al-Qaida argumentiert ähnlich: Hamza Bin Laden, der Sohn des Terrorchefs, veröffentlichte im Mai ein Video und forderte die Anhänger auf, "als Märtyrer im Westen" Anschläge zu begehen.