Anschlag in Kundus:Als die Deutschen zur Zielscheibe wurden

Die beiden toten Bundeswehrsoldaten sind auf dem Weg in die Heimat, im Lager trauern die Kameraden, wie auch Major Jürgen Fischer. Ein Anruf in Kundus.

Ulrich von Schwerin

Der Morgen hat im Bundeswehrlager Kundus traurig begonnen. Die deutschen Soldaten nehmen Abschied von ihren vor zwei Tagen bei einem Anschlag getöteten Kameraden. Eine Trauerfeier wird abgehalten.

Anschlag in Kundus: Selbstmordanschläge sind kaum zu verhindern - Bundeswehrfahrzeuge vom Typ Mungo am Rande von Kundus.

Selbstmordanschläge sind kaum zu verhindern - Bundeswehrfahrzeuge vom Typ Mungo am Rande von Kundus.

(Foto: Foto: AP)

Diejenigen, die Zeuge des Vorfalls wurden, waren einen Tag vom Dienst freigestellt worden. So hatten sie Zeit mit der Psychologin des Stützpunktes zu sprechen, oder mit dem Militärseelsorger, der an diesem Mittwoch auch die Trauerfeier zelebriert.

Jürgen Fischer nimmt daran teil. Er ist Major und Sprecher der Bundeswehr in Kundus. Er erzählt im Gespräch mit sueddeutsche.de die Vorgeschichte zu dem blutigen Vorfall.

Es hatte Hinweise auf ein Waffenlager gegeben, sagt der Offizier. Ganz in der Nähe des deutschen Stützpunktes sollte es sich befinden, in einer Ortschaft.

Eine großangelegte Aktion läuft an: 160 deutsche und 30 afghanische Soldaten sowie 20 afghanische Polizisten sollen das Waffenlager ausheben.

Die Deutschen nehmen selbst nicht an der Durchsuchung der Häuser teil: Die Operation sollte ein afghanisches Gesicht behalten, sagt Major Fischer, gerade bei Hausdurchsuchungen lasse man aus Respekt vor der Bevölkerung den Afghanen den Vortritt.

Also halten sich die Deutschen zurück, die stellen an diesem Tag nur den äußeren Ring, wie es im Dienstsprech heißt. In ihren gepanzerten Fahrzeugen vom Typ Mungo sichern sie die Zufahrtsstraßen, um zu verhindern, dass ein Verdächtiger entkommt.

"Eine eingeschworene Gemeinschaft"

So werden die Deutschen selber Zielscheibe: Ein Mann kommt mit seinem Fahrrad an eine dieser Straßensperren, die Soldaten bemerken ihn nicht, sagt Fischer. Es ist ein Attentäter, der sich in die Luft sprengt.

Die Explosion zerreißt den Mann, sie tötet fünf afghanische Kinder und zwei Fallschirmjäger, die an der Sperre postieren. Zwei weitere Kinder werden verwundet, ebenso zwei deutsche Soldaten.

"Solche Anschläge sind kaum zu verhindern", sagt Fischer zwei Tage danach. "Unter den Soldaten ist ständig das Bewusstsein der Gefahr vorhanden, das Bewusstsein, dass es jeden treffen kann."

Für die direkt Betroffenen war es der erste Anschlag in Afghanistan. Allerdings, sagt Fischer, seien viele der Männer schon früher im Auslandseinsatz gewesen. Gerade die Älteren hätten bereits Einsätze im Kosovo oder in Afghanistan hinter sich.

Vielleicht trägt dies auch dazu bei, dass nach diesem Anschlag nur wenige das Gespräch mit der Psychologin oder dem Pfarrer suchen. "Es gibt nicht gerade einen großen Andrang," räumt Major Fischer ein, "auch wenn man keineswegs als 'Weichei' abgestempelt werde, wenn man die Betreuung in Anspruch nimmt."

Man unterstützt sich gegenseitig so gut es geht. "Das ganze Lager", erklärt der Offizier, "das ist eine eingeschworene Gemeinschaft."

Auch ein afghanisches Mädchen, das bei dem Anschlag schwer verletzt worden war, wird noch im Feldlazarett von Kundus behandelt. Ihr Zustand ist nach Aussage der Ärzte stabil.

Der Gouverneur von Kundus, Mohammad Omar, verkündete inzwischen die Festnahme eines Kommandeurs der Hezb-i islami. Diese von dem früheren Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatyar geführte islamistische Gruppierung ist im Norden mit den Taliban verbündet. Die Gotteskrieger hatten schon kurz nach dem Anschlag sich selbst der Tat bezichtigt.

Die Särge der beiden toten Soldaten sind inzwischen auf dem Weg nach Deutschland, sie werden über das usbekische Termez ausgeflogen. Für Freitag ist eine weitere Trauerfeier mit den Angehörigen in der Heimat geplant, im pfälzischen Zweibrücken.

Dort waren die Soldaten im Fallschirmjägerbataillon 263 stationiert. Ihr Zug kam erst im September nach Kundus, zur Verstärkung.

Das Lager und seine Soldaten waren wenige Wochen zuvor mehrmals Ziel von Raketen und Selbstmordanschlägen geworden. Es gab Schwerverletzte und einen Toten.

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